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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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hastig hinüber und stellte den Alarm ab.
    Aber ganz offenbar war es nicht das Richtige, denn Ruths Gesicht lief plötzlich knallrot an, sie schoss aus dem {110 } Bett wie eine Rakete und lief mit wehenden Haaren aus dem Zimmer. Erst in diesem Moment hörte Lou Puds Geschrei.
    »Scheiße.« Müde rieb er sich die Augen.
    »Du hast grade ein ganz böööses Wort gesagt«, erklang ein Stimmchen von hinter der Tür.
    »Guten Morgen, Lucy«, rief er lächelnd, und schon erschien seine Tochter: eine Fünfjährige im rosa Schlafanzug, die schokobraunen Haare mit den dichten Ponyfransen vom Schlaf zerzaust, die Decke im Schlepptau. Am Fußende des Betts blieb sie stehen und blickte ihren Vater mit ihren großen braunen Augen besorgt an. Lou wartete, dass sie etwas sagte.
    »Du kommst aber heute Abend, oder, Daddy?«
    »Was ist denn heute Abend?«
    »Meine Aufführung.«
    »O ja, stimmt! Aber du willst nicht wirklich, dass ich mir das anschaue, oder, Süße?«
    »Doch«, entgegnete sie und nickte heftig.
    »Aber warum denn?« Wieder rieb er sich den Schlaf aus den Augen. »Du weißt doch, dass Daddy schrecklich viel zu tun hat. Ich hab überhaupt keine Zeit.«
    »Aber ich hab dolle viel geübt.«
    »Warum zeigst du es mir nicht einfach jetzt? Dann muss ich es mir nicht später noch mal anschauen.«
    »Aber jetzt hab ich doch mein Kostüm nicht an.«
    »Das ist in Ordnung, ich stelle es mir einfach vor. Mum sagt doch immer, das ist gut, stimmt’s?« Er ließ die Tür nicht aus dem Auge, denn er wollte sicher sein, dass Ruth nicht etwa zuhörte. »Und du kannst es mir zeigen, während ich mich anziehe, okay?«
    Damit schlug er die Decke zurück, und während Lucy {111 } herumzuhüpfen begann, sauste er durchs Zimmer und schlüpfte in Shorts und Unterhemd, denn er wollte vor der Arbeit noch kurz ein bisschen Sport machen.
    »Daddy, du schaust ja gar nicht zu!«
    »Doch, doch, Süße, komm doch mit nach unten, während ich trainiere. Im Fitnessraum gibt es jede Menge Spiegel, da kannst du gut üben. Das macht bestimmt Spaß, was?«
    Aber als er auf dem Laufband stand, stellte er im Fernseher die Nachrichten an.
    »Daddy, du schaust mir ja gar nicht zu!«
    »Doch, doch, Engelchen.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Was bist du denn?«
    »Ein Blatt. Heute ist ein windiger Tag, und ich falle vom Baum, und da muss ich immer so machen.« Sie wirbelte im Fitnessraum herum, und Lou sah wieder zum Fernseher.
    »Was hat ein Blatt mit Jesus zu tun?«
    »Dem Sänger?« Sie hörte auf zu tanzen und hielt sich an der Trainingsbank fest. Wahrscheinlich war ihr schwindlig geworden.
    Lou runzelte die Stirn. »Nein, nicht dem Sänger. Worum geht es denn in eurem Stück?«
    Lucy holte tief Luft, und es klang, als spulte sie etwas Auswendiggelerntes herunter, als sie antwortete: »Drei weise Männer müssen einen Star suchen.«
    »Wie bitte?«, fragte er verwundert, während er sein Tempo auf dem Laufband steigerte, bis er zügig joggte.
    »Sie suchen einen Star«, wiederholte sie geduldig. »Die drei Männer sind nämlich die Jury bei
Such den Superstar
, und dann singt Pontius Pilatus, und alle schreien Buh, und dann singt Judas, und sie schreien wieder Buh, und dann singt Jesus, und er gewinnt, weil er den X-Faktor hat.«
    »Ojemine.«
    »Ja, und die Geschichte heißt ›Jesus Christ Superstar‹.« Sie tanzte noch eine Runde.
    »Und warum bist du ein Blatt?«
    Sie zuckte die Achseln, und Lou musste lachen.
    »Kommst du heute Abend und guckst mir zu? Biiiiitte!«
    »Japp«, antwortete er und wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß vom Gesicht.
    »Versprochen?«
    »Na klar«, sagte er abschließend. »Okay, aber geh jetzt mal wieder zu deiner Mum zurück, ich muss duschen.«
     
    Zwanzig Minuten später kam Lou in die Küche, um sich – in Gedanken schon halb bei der Arbeit – kurz zu verabschieden. Pud saß in seinem Hochstuhl und schmierte sich behaglich eine Pampe aus Banane und Butterkeks in die Haare. Lucy lutschte an einem Löffel und glotzte fasziniert auf den Fernseher, wo in ohrenbetäubender Lautstärke irgendwelche Cartoons liefen. Ruth war noch im Morgenmantel und schmierte Brote für Lucy. Sie sah erschöpft aus.
    »Tschüss.« Lou küsste Lucy auf den Kopf, aber sie war so in ihre Zeichentrickfilme vertieft, dass sie überhaupt nicht reagierte. Dann ging er zu Pud und versuchte, in seinem Gesicht eine bananenmatschfreie Stelle zu finden. »Äh, tschüss«, sagte er schließlich und drückte auch seinem Sohn etwas

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