Zeit deines Lebens
Grund sollte ich Ihnen vertrauen?«
»Betrachten Sie es einfach als Geschenk«, wiederholte Gabe den Satz, den Lou ihm erst vor ein paar Tagen gesagt hatte.
Zusammen mit dem Geschenk bekam Lou Suffern eine heftige Gänsehaut.
18 Erfüllt
Als er dann allein in seinem Büro saß, holte Lou die Tabletten aus der Tasche und stellte sie vor sich auf den Tisch. Dann legte er den Kopf auf den Tisch und schloss erschöpft die Augen.
»Mann, du bist aber ganz schön fertig«, hörte er jemanden direkt an seinem Ohr sagen und fuhr hoch.
»Alfred!«, rief er und rieb sich die Augen. »Wie viel Uhr ist es?«
»Sieben Uhr fünfundzwanzig. Keine Sorge, du hast deinen Termin nicht verpasst. Was du mir zu verdanken hast«, schmunzelte er, während seine nikotinfleckigen Wurstfinger mit den abgekauten Nägeln aufdringlich über Lous Schreibtisch wanderten und überall Schmierflecken hinterließen. Lou platzte fast vor Ärger. Konnte dieser Mann seine Griffel nicht bei sich behalten?
»Hey, was ist denn das hier?«, fragte Alfred plötzlich, hob den Pillenbehälter hoch und ließ den Deckel aufschnappen.
»Gib das sofort wieder her!« Lou griff nach den Tabletten, aber Alfred zog sie weg und kippte sich stattdessen ein paar davon auf seine schwitzige Handfläche.
»Alfred, gib mir meine Tabletten zurück«, sagte Lou streng und bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen, {193 } wie verzweifelt er war. Aber Alfred dachte gar nicht daran, seiner Aufforderung nachzukommen, sondern schwenkte den Behälter triumphierend vor Lous Nase herum. Schikane auf dem Niveau alberner Schuljungen, aber typisch für Alfred.
»Böser, böser Lou, was führst du denn wieder im Schilde?«, trällerte Alfred, und sein Singsang ging Lou durch Mark und Bein.
Ihm war klar, dass Alfred jede Möglichkeit nutzen würde, um diese Pillen gegen ihn zu verwenden, also zermarterte er sich den Kopf nach einer schnellen und plausiblen Erklärung.
»Sieht aus, als würdest du dir eine Ausrede ausdenken«, grinste Alfred. »Aber ich weiß doch, wenn du bluffst, das habe ich in jedem Meeting mitgekriegt, mich kannst du damit nicht an der Nase rumführen! Warum sagst du nicht einfach die Wahrheit? Traust du mir etwa nicht?«
Lou lächelte und antwortete ebenfalls in einem leichten, fast scherzhaften Ton, obwohl sie es alle beide todernst meinten. »Möchtest du eine ehrliche Antwort? Nein, in letzter Zeit hab ich kein Vertrauen mehr zu dir. Es würde mich nicht wundern, wenn du schon Pläne schmiedest, wie du diesen kleinen Behälter gegen mich verwenden könntest.«
Alfred lachte. »Also wirklich. Behandelt man denn so einen alten Freund?«
Lous Lächeln verblasste. »Ich weiß nicht, Alfred, sag du es mir.«
Einen Moment starrten sie einander an. Alfred sah als Erster weg.
»Denkst du an was Bestimmtes, Lou?«
»Was meinst du?«
»Schau mal«, begann Alfred, seine Schultern sackten herab, der Angeber Alfred verschwand von der Bühne, und an seiner Stelle erschien nun Alfred, der Bescheidene. »Wenn es dir um das Meeting heute Abend geht, da kannst du ganz sicher sein, dass ich den Termin nicht das kleinste bisschen manipuliert habe. Frag Melissa. Bei dem Wechsel von Tracey zu Alison gab es ein ziemliches Chaos, und da ist eine ganze Menge verlorengegangen.« Er zuckte die Achseln. »Obwohl mir Alison unter uns gesagt sowieso ein bisschen unzuverlässig vorkommt.«
»Schieb nicht Alison die Schuld in die Schuhe«, verteidigte Lou seine Sekretärin und verschränkte abwehrend die Arme.
»Ach ja«, grinste Alfred und nickte langsam. »Ich hab ja ganz vergessen, dass ihr beide was miteinander habt.«
»Wir haben
nichts
. Verdammt nochmal, Alfred.«
»Na gut, Entschuldigung.« Alfred machte eine Bewegung, als zöge er einen Reißverschluss über seinen Mund. »Von mir wird Ruth es jedenfalls nicht erfahren, das verspreche ich dir.«
Schon allein die Tatsache, dass er Ruths Namen erwähnte, ging Lou gegen den Strich. »Was ist denn bloß in dich gefahren?«, fragte er, jetzt unverhohlen im Ernst. »Was hast du denn? Liegt es an dem Zeug, das du dir jeden Tag in die Nase bläst? Was ist los? Hast du Angst vor der Umstellung … «
»Vor der Umstellung?«, schnaubte Alfred. »Das klingt ja, als wäre ich eine Frau in den Wechseljahren.«
Lou starrte ihn an.
»Mit mir ist alles paletti, Lou«, fuhr Alfred langsam fort. »Ich bin der Gleiche wie immer. Du bist es, der sich seltsam benimmt. Alle reden schon darüber, sogar Mr Patterson. {195 }
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