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Zeit deines Lebens

Titel: Zeit deines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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Vielleicht lieg es ja an denen hier.« Wieder klapperte er mit dem Pillendöschen vor Lous Gesicht herum, genau wie vorhin Gabe.
    »Das sind Kopfschmerztabletten.«
    »Ich kann aber kein Etikett entdecken.«
    »Die Kinder haben es abgekratzt. Würdest du jetzt bitte so freundlich sein und die Dinger wieder rausrücken?« Lou streckte Alfred die offene Handfläche hin.
    »Aha, Kopfschmerztabletten. Verstehe.« Alfred betrachtete das Döschen noch einmal prüfend. »Das sind also Kopfschmerztabletten, ja? Ich dachte nämlich, ich hätte den Obdachlosen irgendwas von Naturheilmittel faseln hören.«
    Lou schluckte. »Hast du mir etwa nachspioniert, Alfred? Ist es das, womit du dir die Zeit vertreibst?«
    »Nein«, entgegnete Alfred mit einem entspannten Lachen. »Das würde ich nie tun. Aber ich lasse mal ein paar von denen hier für dich analysieren, damit wir sichergehen können, dass es wirklich Kopfschmerztabletten sind und nicht doch was Stärkeres.« Damit holte er eine Pille aus dem Behälter, steckte sie in die Tasche und gab Lou das Döschen dann zurück. »Es ist schön, der Wahrheit auf den Grund gehen zu können, wenn meine Freunde mich anlügen.«
    »Das Gefühl kenne ich«, stimmte Lou zu, froh, Gabes Pillen wieder in der Hand zu halten. »Zum Beispiel war es ziemlich stark, als ich erfahren habe, dass du dich vor ein paar Tagen morgens mit Mr Patterson getroffen hast und dass ihr letzten Freitag zusammen zum Lunch gegangen seid.«
    Alfred starrte ihn ehrlich schockiert an, für ihn eine Seltenheit.
    »Oh«, sagte Lou leise. »Du wusstest also nicht, dass ich es wusste, richtig? Tut mir leid. Aber jetzt solltest du dich lieber auf den Weg zu deinem Dinner machen, sonst verpasst du noch die Vorspeise. Immer nur Arbeit und nie Kaviar ist nicht gut für unseren Alfred.« Er führte seinen sprachlosen Kollegen zur Tür, öffnete sie für ihn, zwinkerte und machte sie leise, aber bestimmt direkt vor Alfreds Nase wieder zu.
     
    Neunzehn Uhr dreißig kam und ging, ohne dass Arthur Lynch auf dem Fünfzigzoll-Plasmabildschirm vor Lou am Konferenztisch erschien. Da Lou bewusst war, dass er jeden Moment von den Teilnehmern der Konferenz gesehen werden konnte, bemühte er sich, möglichst entspannt dazusitzen, aber nicht einzuschlafen. Um neunzehn Uhr vierzig wurde er von Mr Lynchs Sekretärin informiert, dass Mr Lynch sich ein paar Minuten verspäten würde.
    Während Lou dasaß, wartete und immer schläfriger wurde, stellte er sich Alfred im Restaurant vor: Unverfroren wie immer, immer im Mittelpunkt, laut und bemüht, unterhaltsam zu sein – so würde er aller Wahrscheinlichkeit nach die Lorbeeren für einen Deal einheimsen, an dem Lou keinen Anteil hatte. Es sei denn, Alfred versagte. Dadurch, dass Lou diesen Termin versäumte – das wichtigste Meeting des Jahres –, entging ihm die größte Chance, sich vor Mr Patterson in ein gutes Licht zu rücken. Cliffs Job und das leerstehende Büro, das dazugehörte, tanzten ihm tagaus, tagein verlockend vor der Nase herum wie die Karotte vor dem Maulesel. Cliffs ehemaliges Zimmer lag ein Stück weiter den Korridor hinunter, direkt neben dem von Mr Patterson, mit offenen Jalousien, unbesetzt. Ein {197 } wesentlich größerer Raum mit wesentlich besserem Licht, der förmlich nach Lou rief. Sechs Monate waren inzwischen seit Cliffs Zusammenbruch verstrichen. Er hatte sich schon eine ganze Weile davor sonderbar verhalten, und eines Morgens hatte Lou ihn dann zusammengekauert unter seinem Schreibtisch gefunden, am ganzen Körper zitternd, die Tastatur, auf der seine Finger eine Art panischen Morsecode trommelten, fest an die Brust gedrückt. Mit weitaufgerissenen Augen und angsterfüllter Stimme stammelte er, immer wieder und mit wachsender Verzweiflung, »sie« würden kommen und ihn holen.
    Wer »sie« waren, das hatte Lou nicht herausfinden können. Zwar versuchte er, Cliff behutsam unter dem Tisch hervorzulocken und dazu zu bewegen, Schuhe und Socken wieder anzuziehen, aber als er sich ihm näherte, holte Cliff aus, schwang die Maus an ihrem Kabel wie ein Cowboy sein Lasso und traf Lou damit mitten im Gesicht. Die kleine Plastikmaus tat ihm allerdings nicht halb so weh wie der Anblick dieses erfolgreichen jungen Mannes, der so vollkommen die Fassung verloren hatte. Nun stand Cliffs Büro schon seit Monaten leer, und obwohl die Berichte aus der Klinik nicht positiv klangen, nahm das Mitgefühl für Cliff ab, während die Konkurrenz um seinen Job sich rapide zuspitzte.

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