Zeit der Eisblueten
straffte sie sich mit einem tiefen Atemzug.
»Also«, sagte sie, »ich möchte mit dir über Mark sprechen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Beispielsweise eine Sonderschule in Winnipeg. Sie kostet zweiundzwanzigtausend Dollar pro Jahr, aber sie soll hervorragend sein. Wenn du das nicht bezahlen willst, gibt es noch andere, weniger attraktive Optionen.«
»Sonderschule? Wovon sprichst du?«, fragte Dafydd verdutzt. »Er scheint doch geistig keinerlei Schwierigkeiten zu haben.«
»Im Gegenteil. Aber ich will mich nicht mehr länger mit seinem Verhalten abfinden.«
»Du hast nie erwähnt, dass er ein Problem hat.«
»Nun, ich erzähle es dir jetzt.«
»Teenager neigen dazu, launisch und schwierig zu sein. Das ist normal«, protestierte Dafydd. »Weiß Miranda darüber Bescheid, dass er … weggeschickt werden soll?«
Einen Moment lang aus der Fassung gebracht, blickte Sheila auf ihren Schoß. »Ganz und gar nicht. Und du wirst es auch nicht erwähnen, hörst du?«
»Also würde sie nicht wollen, dass er verbannt wird in so eine …«
»Nein. Aber seine Unverschämtheit nervt mich. Er hat eine finstere Seite. Ich glaube, dass er keinen guten Einfluss auf sie ausübt. Sie sorgt sich viel zu sehr um ihn. Sie sollte Spaß mit ihren Freunden haben. Mit normalen Kindern.«
»Hm … seine dunkle Seite. Ich wüsste gern, woher er die hat.«
»Hör mal«, sagte sie und hob die Stimme, »ich habe den größten Teil meiner Kindheit in allen möglichen Internaten verbracht, und die waren nicht halb so schön wie die Schule, die Mark besuchen kann. Was bitte ist denn daran schlimm? Ihr da drüben schickt eure Kinder doch auch zur Ausbildung fort; vermutlich bist du selbst auf ein Internat gegangen.« Verärgert schüttelte sie den Kopf. »Also komm mir nicht mit deiner beschissenen Moral.«
»Und was soll er deiner Ansicht nach an solch einem Ort lernen?«, fragte Dafydd.
»Sich durchzubeißen«, erwiderte sie brüsk. »Ich musste das, und es hat mich wirklich weitergebracht. Man lernt, auf sein eigenes Interesse zu achten.«
»Das glaube ich dir aufs Wort«, stimmte Dafydd ihr zu. »Damit kennst du dich wirklich aus.«
Sheila starrte ihn an, als wolle sie ihn mit einer Flut von Beleidigungen überschütten, und Dafydd konnte ein Grinsen kaum unterdrücken. Dies war die echte Sheila. Ihr aufflammender Zorn war ihm erheblich lieber als ihr Schlafzimmerblick.
»Also, du musst sehr schnell ein paar Entscheidungen treffen, oder du hast am Ende einen ganzen Berg Anwaltsrechnungen zu begleichen. Ich will nicht, dass du noch sehr viel länger hier bleibst. Das ist doch nicht erforderlich. Bestimmt möchte deine Frau dich bei sich zu Hause haben.«
»O nein, das möchte sie nicht«, lachte Dafydd. »Dafür hast du gesorgt.«
»Um ehrlich zu sein, deine häusliche Situation ist mir scheißegal. Ich will nur, dass die Dinge geregelt sind. Ende nächster Woche möchte ich etwas Geld auf dem Konto haben. Wie erwähnt, sind zweitausend pro Monat der übliche Satz für jemanden mit deinem Einkommen. Also lass uns ein bisschen schneller vorgehen, oder ich muss weitere Maßnahmen ergreifen.«
»Was glaubst du denn, mir antun zu können?«
»Zum Beispiel kann ich dir eine gerichtliche Verfügung auf den Tisch knallen.«
Er stand auf, ohne seinen Kaffee angerührt zu haben, und ging in die Diele, um seinen Parka zu holen. Aber Sheila wusste immer genau, wann es sich empfahl, klein beizugeben. Sie folgte ihm in die Diele und legte ihm die Hand auf die Brust.
»Bitte, Dafydd, so weit braucht es ja nicht zu kommen«, sagte sie beschwichtigend. »Denk darüber nach. Wir sollten die Sache nicht zu kompliziert machen … um ihretwillen. Du willst doch das Beste für sie, oder? Sei vernünftig.«
»Das Beste für sie? Wie zum Beispiel in irgendeine grässliche Sonderschule geschickt zu werden?« Die Vorstellung, dass sie vorhatte, ihn und sein Geld zu benutzen, um sich ihres Sohnes zu entledigen, empörte Dafydd. »Ich werde sie morgen früh um zehn abholen. Wenn du damit nicht einverstanden bist, nehme ich das nächste Flugzeug, und du wirst deinen beschissenen Mr McCready dafür bezahlen müssen, rund um den Globus hinter mir und meinem Scheckbuch herzujagen.«
Dafydd fuhr eine Straße entlang, die zu einem Sportplatz führte. Die hohe Schneeschicht verdeckte eine Reihe übler Schlaglöcher, und der Wagen kam an einer Absperrung holpernd zum Stehen. Er stieg aus, trat bis zum Knöchel durch das Eis einer gefrierenden Pfütze,
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