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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Angelegenheit«, entgegnete sie. »Deine Ansicht ist nicht gefragt.«
    Sie funkelten einander kurz an, bevor die Zwillinge mit Fruchtsalat und einer Schüssel Eiscreme zurückkamen. Mark blickte misstrauisch von seiner Mutter zu Dafydd und wieder zurück. Seine blassen, wässrigen Augen schienen unter die Haut zu sehen.
    »Musst du schon gehen?«, fragte Miranda, als sie das Essen beendet hatten und Sheila mit Dafydds Parka in der Hand erschien.
    »Scheint so«, antwortete Dafydd.
    Miranda war ein Mädchen, dem es nichts ausmachte, ihrer Mutter die Stirn zu bieten. Sie hatte zweifellos deren schnelles Denken geerbt, und sie war selbstbewusst und freimütig. Dafydd hoffte, dass sie, wenn sie seine Tochter war, auch etwas von ihm geerbt hatte: sein einfaches Wesen, seine bescheidenen Bedürfnisse und seine gutartige Veranlagung.
    Er verabschiedete sich. Der Junge stieß mit seiner krächzenden Stimme ein rasches »Bis dann« hervor, während ihn Miranda umarmte. Sie war ein Kind, das dachte, es habe das große Los gezogen und endlich den Vater gefunden, nach dem es sich gesehnt hatte. In ihren Augen war er perfekt. Dieser Rolle gerecht zu werden, würde schwierig sein.
    Dafydd gewöhnte sich an, Ian jeden Morgen zu besuchen und ihm Zeitungen, Lebensmittel und sehr widerwillig den Whisky zu bringen, der zu Ians Lieblingslaster geworden war. Es gab Anzeichen kleiner Bemühungen um eine Entgiftung, was in Ians Fall bedeutete, dass er eine statt zwei Flaschen täglich trank. Dafydd wollte ihn auf seine Sucht ansprechen, aber er beschloss, damit zu warten, bis sie wieder etwas von ihrer früheren Unbeschwertheit und Nähe aufgebaut hatten. Ian hatte die Tür zu seinen eigenen Gefühlen fest verschlossen und unterhielt offenbar keine engen Beziehungen zu anderen Menschen.
    Dafydd bekam die Kinder die gesamte Woche hindurch nicht zu Gesicht. Er rief Sheila fast täglich an, um gegen ihren unsinnigen Entschluss, ihn von den Zwillingen fernzuhalten, zu protestieren, aber sie wies seine Forderungen zurück und beschied ihn, bis Freitag zu warten. »Sprich mit meinem Anwalt und triff die Vereinbarungen für die Unterhaltszahlungen mit meiner Bank.« Dafydd tat nichts von beidem. Sie schien darauf zu setzen, dass sie ihn zwingen konnte, die finanziellen Vereinbarungen abzuschließen, wenn sie ihn von den Kindern fernhielt. Aber ihre Logik versagte bei ihm. Er hatte es durchaus nicht eilig. Je mehr sie ihn drängte, das Verfahren zu beschleunigen, desto stärker wurde sein Gefühl, dass es besser sei, nichts zu unternehmen und erst einmal nur abzuwarten.
    Seit seiner Ankunft waren fast zwei Wochen vergangen. Er hatte die Personalabteilung in Cardiff angerufen und darum gebeten, ihm ein paar Wochen unbezahlten Urlaubs zu gewähren. Man war nicht gerade begeistert, aber es gab zahlreiche Präzedenzfälle. Andere Ärzte hatten sich ebenfalls langfristig beurlauben lassen, manche sogar regelmäßig. Als Grund führte er eine »persönliche Krise« an. Stimmte das etwa nicht? Vor seiner Abreise waren alle möglichen Gerüchte im Krankenhaus kursiert. Sein Unfall im trunkenen Zustand, sein Zusammenstoß mit Payne-Lawson, seine auf Abwegen befindliche Frau – all das war zu irgendwelchen wilden Geschichten zusammengerührt worden. Er war froh, all das ein Weilchen hinter sich lassen und abwarten zu können, bis sich die Aufregung gelegt hatte. Und mittlerweile erhielt Isabel die Gelegenheit, in aller Ruhe allein für sich eine Entscheidung zu fällen: für oder gegen ihre Beziehung.
    Am Freitag verließ er Ian früher als sonst, um pünktlich zu seiner Verabredung mit Sheila in deren Haus zu erscheinen. Der Schneefall hatte ernsthaft eingesetzt, und taubeneigroße Flocken schwebten gnadenlos von einem weißen Samthimmel herab. Sie fielen in Zeitlupe, aber dicht, und als Dafydd den kurzen Weg vom Auto bis zu Sheilas Tür zurücklegte, war er bereits mit weißem Flaum bedeckt. Bevor sie ihn einließ, streifte er seinen Parka ab und schüttelte ihn heftig vor der Tür aus.
    »Warum hast du mir erzählt, Ian sei nicht in der Stadt?«, fragte er unverblümt.
    »Ich wollte nicht, dass du dich mit ihm zusammentust; er ist eine Plage. Aber das hat dich nicht davon abgehalten, oder? Wie ich gehört habe, bist du fast jeden Tag bei ihm draußen. Nimm wenigstens die Kinder auf keinen Fall mit dorthin.«
    »Ich habe nicht die Absicht. Aber wieso kümmerst du dich eigentlich darum, was ich in meiner Freizeit mache?«
    »Sicher ist dir nicht

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