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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Leslie las den Bericht laut vor:
    Eine Vaterschaft von Dafydd Eric Woodruff ist nicht auszuschließen. Den vorliegenden Ergebnissen zufolge besteht eine um das Zwölftausendfache höhere Wahrscheinlichkeit, dass Dafydd E. Woodruff der Vater von Mark Jeremy Hailey ist, als dass sie nicht verwandt sind. Die sich aus den DNA-Proben ergebende Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft liegt bei mindestens 99,99 Prozent.
    »Ziemlich unwiderlegbar«, meinte sie kopfschüttelnd.
    Sie saßen im Wintergarten. Bevor sie sich hinsetzten, hatten sie die Glasscherben vom Sofa fegen müssen. Eine Scheibe hatte sich schließlich aus ihrem morschen Rahmen gelöst und war auf den Fliesen zerschmettert. Sie hatte ein gähnendes Loch hinterlassen, aber es herrschten milde Temperaturen, eine Art Altweibersommer. Bei einer frischen Brise schien die Mittagssonne. Es war bestimmt das letzte schöne Wochenende vor einem langen, düsteren Winter.
    Dafydd stand auf, um noch ein paar Oliven und Bierdosen aus dem Kühlschrank zu holen.
    »Sag’s noch einmal«, ermunterte ihn Leslie, während sie die Lasche eines weiteren Stella abzog.
    »Ich wiederhole: Es stimmt nicht.« Dafydd atmete tief durch. »Ich habe sie einmal verletzt, das gebe ich zu, aber ich hatte keinen Sex mit ihr. Das weiß ich ganz genau. Es ist unmöglich. Ich konnte nicht …« Er sah seine beste Freundin und einstige Geliebte an und bemerkte den Zweifel in ihrer Miene.
    »Was meinst du damit, dass du sie verletzt hast?«
    »Ich wollte es nicht … Also, sie hat mich dazu getrieben. Es war nicht meine Absicht.«
    »Sie hat dich zu was getrieben?« Leslie rückte mit konzentriertem Gesicht auf ihn zu. »Wie hast du sie verletzt?«
    »O nein«, stöhnte Dafydd. »Du nicht auch noch. Ich habe ihr einmal zur Selbstverteidigung eine Ohrfeige gegeben.«
    »Weißt du, Dafydd«, meinte Leslie traurig, »ich sollte dir Folgendes erzählen. Vor ein paar Tagen hat mich Isabel von London aus angerufen.«
    »Isabel? Tatsächlich? Weshalb denn?«
    Sie und Isabel waren nie miteinander ausgekommen; sie schienen nicht derselben Spezies anzugehören. Leslie gab sich so kühl und pragmatisch, wie Isabel feurig und impulsiv war.
    »Sie hat mir erzählt, dass dich eine Frau beschuldigt, sie unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben.«
    Dafydd war schockiert. »Isabel hat dich angerufen, um dir das zu sagen?«
    »Allerdings, ja. Es war ausgesprochen peinlich. Sie fragte mich … ob du mir gegenüber je gewalttätig gewesen seist, als wir zusammen waren … in unserer sexuellen Beziehung.« Leslie wirkte verlegen. Sie war schließlich sehr geradlinig. Jahre des Singledaseins, harte Arbeit und eine Leidenschaft für obskure Forschungsprojekte hatten sie nicht ungezwungener im Umgang mit menschlichen Beziehungen werden lassen, und jetzt, mit achtundfünfzig, war sie zu weltfremd geworden, sich um sexuelle Neigungen zu scheren.
    Dafydd starrte sie an. »Ist das dein Ernst?«
    »Ich war, ehrlich gesagt, ziemlich bestürzt.« Leslie klang für seinen Geschmack zu betroffen. »Warum sollte sie mich so etwas fragen?«
    Er dachte einen Moment lang nach. »Vielleicht, weil sie erwägt, mich zu verlassen, und eine richtig saftige Rechtfertigung dafür braucht.«
    War das wirklich der Grund? Er merkte, dass er seine Frau und das, was in ihr vorging, nicht mehr kannte. Sie hatte sich verändert. Er wusste, dass er ihr gegenüber versagt, ihren Pakt gebrochen hatte. Ihr Ziel, ihr gegenseitiges Hochzeitsgeschenk füreinander war, ein Kind zu haben. Er hatte es damals gewollt, es schien der richtige Weg zu sein. Mehr als nach allem anderen hatte sie sich nach einem Kind gesehnt. Aber jetzt, nachdem es ihnen missglückt war und er keine Zeit mehr darauf verschwenden wollte, war sie kühl geworden. Sie hatte sich emotional und physisch von ihm entfernt, wobei sie seine angeblichen Lügen über seine Vergangenheit als Vorwand nutzte.
    Dann dachte er an den wohlhabenden, gut aussehenden, gewieften achtunddreißigjährigen Paul Deveraux, ihren neuen Partner. Partner? Dafydd war nicht völlig blind gewesen. Die Art, wie sie aussah: umgewandelt, schlank, selbstsicher, glühend. Ihr neues Parfüm, hautenge Kleidung, ein abwesender Gesichtsausdruck, ihr verlorener Ehering … Unwillkürlich atmete er tief durch. Sie hatte eine Affäre, das war es. Sie schlief mit dem Schleimer. Diese plötzliche sonnenklare Erkenntnis war erschütternd; nicht zuletzt, weil Isabel es darauf angelegt hatte, Dafydd in ihren eigenen Augen

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