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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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gut.«
    »Nein, sie ist schlimm«, beharrte Dafydd, der sich durch den heißen Whisky locker und erhitzt fühlte.
    »Aha«, kicherte Ian maliziös. »Du würdest ihr verderbtes Fleisch nur zu gern kosten. Und das weiß sie auch. Mach dir nichts draus, wir haben das alle durchgemacht.«
    »Nichts da.« Dafydd zögerte einen Augenblick und fragte sich, ob nicht ein Körnchen Wahrheit an Ians Bemerkung war. »Ich bin nicht stolz darauf, aber als sie mich darum bat, hatten wir eine höllische Auseinandersetzung, und ich habe sie geohrfeigt. Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe, aber sie hat mich angegriffen, und da hab ich einfach die Beherrschung verloren. Ich warte darauf, verhaftet zu werden, obwohl ich auf Notwehr plädieren kann.«
    »Tatsache?« Ian versuchte, besorgt auszusehen, aber in seinen Augen lag ein freudiges Glitzern. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du eine Frau verprügelst, und dazu noch eine schwangere. Du bist doch sonst immer die Sanftmut in Person.«
    »Oh, um Gottes willen … Ich wollte es nicht, aber sie hat versucht, mir die Augen auszukratzen.«
    »Uh!« Ian blies auf seine Fingerspitzen und schüttelte dann die Hände, als hätte er sie sich verbrannt. »Du wirst dir noch wünschen, das nie getan zu haben.«
    Er lehnte sich zurück und zündete sich eine weitere Zigarette an. Er sah krank aus, wie so oft. Sein jugendliches Gesicht war faltig, was paradox wirkte. Sein durchdringendes Lachen deutete auf einen schelmischen Jungen voller Leben hin, der nichts Gutes im Schilde führte, während der grübelnde Mann zur Selbstzerstörung neigte und zutiefst einsam und entfremdet war. Dafydd hatte ihn genau beobachtet, doch er wusste immer noch nicht, wer dieser Mann wirklich war. Er wusste nichts über Ians Hintergrund, abgesehen von dem grauenvollen Flammentod seiner Eltern; er wusste nicht, woher er gekommen war und aus welchen Gründen. Ian sprach nie über sich selbst und wies Fragen stets ab. Dafydd wusste nur, dass Ian in Moose Creek als Einziger zu einer Art Freund geworden war. Allein aus diesem Grund war Dafydd bereit, ihm seine Launen und seine gelegentliche Unverschämtheit zu verzeihen.
    Sie saßen noch nicht lange da und genossen das lodernde Feuer und das regelmäßige Tropfen von der Regenrinne, als die Dämmerung anbrach und es Zeit für Dafydd wurde, sich mit seinen Skiern auf den Heimweg zu begeben, wenn er nicht im Wald von der Finsternis überrascht werden wollte.
    »Ach was, bleib doch noch«, schlug Ian mit leichtem Lallen vor. »Ich fahre dich später nach Hause.« Er hob die Whiskyflasche, die noch zu einem Drittel voll war, und schüttelte sie fröhlich.
    »Aber klar doch«, lachte Dafydd. »Das wird ’ne schöne Fahrt werden.«
    Die Menge und Stärke der heißen Punschgetränke verhinderten nicht, dass Dafydd in Panik geriet, als er auf dem Heimweg mit seinen Skiern direkt auf einen Bison zusteuerte. Das riesige Tier stand, von Bäumen verdeckt, unmittelbar hinter einer Biegung. Nicht weit von ihm entfernt stampften und scharrten ein Dutzend andere, um an die gefrorenen Pflanzen im Boden heranzukommen. Das blaue Licht der nahenden Finsternis tönte den Schnee, doch es ließ zugleich alle Einzelheiten der Umwelt mit furchterregender Schärfe hervortreten.
    Der Bison blickte finster und drohend, und sein dunkel aufragender Körper bewegte sich über den bläulichen Schnee langsam auf den Eindringling zu. Dafydd hatte von einer widerspenstigen Herde außergewöhnlich großer Bisons erzählen gehört, die im Tal lebten und vor Jahrzehnten aus dem Park eines exzentrischen Züchters in Alberta ausgebrochen waren. Es war ähnlich wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness: Unzählige Geschichten über die mysteriöse Herde kursierten, aber niemand kannte jemanden, der sie gesehen hatte.
    Ein lautes Schnauben aus den feuchten Nüstern durchbrach die Stille; das rasselnde Einatmen und der gesenkte Kopf schienen einen Angriff anzukündigen. Dafydds instinktive Reaktion bestand darin, die Skier abzuwerfen und loszurennen, doch das erwies sich als nutzlos. Kaum hatte er die Spur verlassen, da versank er auch schon bis zur Brust im Schnee. Wild um sich schlagend und zappelnd, kam er kein Stück vorwärts. Ein paar Sekunden verstrichen, und die Panik ebbte ab. Dafydd drehte sich nach seinem blutrünstigen Gegner um.
    Der stand seelenruhig da und kaute an einem Zweig, während er Dafydds Mätzchen beobachtete. Die sanften braunen Augen waren voller Mitleid auf ihn gerichtet.

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