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Zeit der Eisblueten

Zeit der Eisblueten

Titel: Zeit der Eisblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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wurde – konnten sich an einen heranschleichen wie ein Räuber in einer dunklen Gasse.
    Isabel weinte. Dafydd wusste nicht genau, worauf sich ihr Kummer bezog: auf ihn, ihre Ehe, das Kind, das sie nie haben würden … oder auf ihre eigene Falschheit. Er legte die Arme um sie, und sie stieß ihn nicht weg.
    »Ich hoffe, dass ich zurückkommen werde und es dir erklären kann.« Er küsste ihr Haar und wiegte sie sanft. »Aber ich muss es erst einmal mir selbst erklären.«
    Es hatte keinen Sinn, noch etwas hinzuzufügen. Nach einem langen Augenblick in seinen Armen blickte sie zu seinem Gesicht hoch. Dann fuhr sie mit dem Daumen die rote Narbe an seiner Kopfhaut entlang. »Lass dich nicht wieder auf solche Unfälle ein.«
    »Du hättest bei mir bleiben sollen. Ich habe dich dringend gebraucht.« Seine Stimme enthielt eine Spur Unmut, und er hoffte, dass Isabel ein wenig Bedauern zum Ausdruck bringen würde. »Du hast dich von mir entfernt, und wir hatten nie die Möglichkeit, miteinander zu sprechen.«
    Aber Isabel empfand weder Bedauern noch das Bedürfnis, sich zu entschuldigen. Sie wischte ihre zerlaufene Wimperntusche mit einem Papiertaschentuch fort, und ihr Gesicht war nicht mehr sanft. Sie löste sich aus seinen Armen.
    »Es gab nichts zu sagen, und ich war zornig.«
    »Du kannst auch unnatürlich gefühllos sein.«
    Isabel lachte. »Bezeichnest du mich als Schlampe?« Vor Kälte war sie blau angelaufen. Sie steckte die Hände tief in die Taschen und zog die Schultern hoch. »Außerdem hat Paul mich in London gebraucht. Da ist das neue Projekt … Das Leben muss weitergehen. Er hat eine Menge Pläne für uns.«
    Darauf könnte ich wetten! Dieser Bastard, dachte Dafydd, und in ihm stieg Bitterkeit auf. Er wusste, dass er sie direkt auf seinen Verdacht ansprechen musste, aber ihm fehlte die dafür erforderliche Kraft. Es würde die Kluft zwischen ihnen nur vertiefen, und er flog am folgenden Tag ab. Isabel würde ohnehin tun, was sie wollte. Warum sollte er ihr das Leben schwer machen? Warum sollte er versuchen, sie aufzuhalten? Sie würde selbst entscheiden müssen, was sie wollte, ohne dass er um sie kämpfte.
    »Ich möchte gehen. Ich friere«, sagte sie.
    Sie begannen, den Hügel hinunterzusteigen. Dafydd schob sein Fahrrad, und nach einer Weile löste Isabel sich von seiner Seite und ging nach Westen. Dafydd, in Gedanken verloren, bemerkte es zunächst nicht. Dann lief er hinter ihr her.
    »Ich begleite dich zu deinem Auto.«
    »Nein, lass uns hier auseinandergehen. Ich bin im Haus gewesen und habe ein paar Sachen geholt. Jetzt werde ich direkt nach London zurückfahren.« Sie blieb stehen und küsste ihn auf die Wange, zögerte und küsste ihn dann auch auf die andere. »Viel Glück, Dafydd.«
    »Liebst du mich?«, rief er ihr kläglich hinterher, aber vielleicht konnte sie ihn nicht hören.
    Er stand da und sah zu, wie sie sich entfernte, während ihn kleine weiße Punkte umtanzten. Endlich hatte es angefangen zu schneien.

KAPITEL
12
    Moose Creek, 1993
    D AFYDD MACHTE NUN wöchentliche Hausbesuche bei Sleeping Bear. Der alte Mann hatte den Winter wie durch ein Wunder aus eigener Kraft überlebt. Seine Gesundheit war ausgezeichnet, und die Besuche dienten vor allem dem Auffüllen von Bears Getränke-, Tabak-und Zeitungsvorräten. Sein Essen kam aus irgendeiner ungenannten Quelle und bestand aus ekelerregenden Fleischklumpen und anderen grotesken Substanzen tierischer Herkunft. Er schien bestens davon leben zu können, aber er war klug genug, Dafydd nicht zu seinen Mahlzeiten einzuladen. Seine Zähigkeit war in der Tat bemerkenswert.
    Aber als der Frühling gerade alles zum Tauen brachte, fand Dafydd bei einem seiner Besuche Sleeping Bear eingewickelt auf dem Bett vor. Er litt unter hohem Fieber, und Dafydd war sicher, dass er sich eine Lungenentzündung zugezogen hatte. Daheim nannten seine erfahrenen Kollegen die Lungenentzündung den »Freund des alten Menschen«, weil sie die Älteren durch einen friedlichen, schmerzlosen Tod vor weiterem Siechtum bewahrte. Auch Dafydd hielt eine künstliche Lebensverlängerung für unnötig und unbarmherzig, aber Sleeping Bear schien noch nicht zum Abschied bereit zu sein. Er war wie ein altes Stück Leder: Weiche es in heißem Wasser ein, beschmiere es mit Fett, und es ist so gut wie neu. Bear nützte niemandem mehr außer seinen Hunden, doch es gab immer noch Anmachholz, das für den Ofen zu sammeln war, Pfeifen, die gestopft werden wollten, und starken Kaffee, den

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