Zeit der Eisblueten
Krankenhaus?«
Sie drehte sich neugierig um. »Klar doch. Sie ist meine Mom.« Dann musterte sie ihn auf ziemlich freche Weise von oben bis unten.
»Bitte grüßen Sie sie von mir. Ich werde versuchen, sie später zu erwischen.«
Er setzte sich ins Wartezimmer, das in einem sonnigen Gelb gestrichen worden war, aber für die Patienten noch immer die gleichen Plastikstapelstühle enthielt. Während er in einigen Jagd- und Fischereimagazinen blätterte, marschierte Sheila herein.
»Was tust du hier?«
»Was soll das denn, Sheila?«, fragte er empört. »Ich bin ein freier Mann und kann gehen, wohin ich will.«
Er war sich nicht ganz sicher, aber in ihrer Miene spiegelte sich mehr als nur Ärger. Sie wirkte zugleich ängstlich, was sie hinter ihrer Autorität als Oberschwester zu verbergen suchte. Jedenfalls kam sein Besuch ihr sehr ungelegen.
»Hast du Angst, dass ich Hogg von meiner neuentdeckten Vaterschaft erzähle?«
»Wag das ja nicht«, fauchte sie ihn an. »Schließlich geht das niemanden etwas an. Hogg und ich sind gute Freunde. Wir kennen uns seit langem, aber ich will nicht, dass er es erfährt.«
Sie trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, wobei sie die Arme wie üblich unter den Brüsten verschränkt hatte. In ihrer Schwesternuniform wirkte sie älter und sogar noch gebieterischer. Ihr Haar hatte sie straff nach hinten gebürstet und zu einem festen Zopf gefochten. Noch immer war sie auf eine herrische, dominahafte Art sexy. Dafydd lächelte ein wenig, als ihm bewusst wurde, dass es ihr wahrscheinlich nicht gefiel, an ihrem Arbeitsplatz von ihm gesehen zu werden.
»Also wie willst du erklären, dass du in Moose Creek bist?«, fragte sie.
»Vielleicht werde ich ihn um einen Job bitten.« Er spürte eine selbstgefällige Befriedigung über die Gelegenheit, sie aus der Fassung zu bringen. »Ich habe gehört, dass Ian krankgeschrieben ist. Vielleicht kann ich ihn eine Weile vertreten, bis es ihm besser geht. Was hat er denn?«
»An deiner Stelle würde ich mir über ihn keine Gedanken machen«, meinte Sheila barsch. »Außerdem ist er weggefahren und wird mehrere Wochen lang nicht wiederkommen.« Sie schloss kurz die Augen und biss die Zähne ärgerlich zusammen. »Frag auf keinen Fall nach einer Arbeit. Ich werde mich auf jeden Fall dagegen aussprechen. Ohnehin wäre es illegal, und ich würde keinen Moment zögern, die Einwanderungsbehörde zu kontaktieren, wenn …«
Dafydd hob die Brauen, um anzudeuten, dass Hogg auf sie zukam.
»Nanu, nanu, nanu, ein Gruß aus alten Zeiten«, kicherte Hogg und schüttelte Dafydd die Hand. »Genau das, was uns fehlt, nicht, Sheila? Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr wir Sie im Moment gebrauchen könnten … Urlaub?«
Dafydd blickte kurz zu Sheila hinüber. »Ja, nur eine Reise, rein zum Spaß.«
»Sehr gut, sehr gut.«
Hogg sah noch genauso aus wie früher, obwohl er auf die sechzig zugehen musste. Sein dichtes Haar zeigte keinerlei Spuren des Ergrauens – aber vielleicht hatte er es färben lassen. Die Art, wie er Sheila anschaute, ließ sofort erkennen, dass er noch immer in die Oberschwester verliebt war. Sie plauderten ein paar Minuten über die Stadt, dann war Hogg schon wieder auf dem Sprung. Seine rastlose Energie hatte sich nicht vermindert.
»Hören Sie, alter Knabe, kommen Sie um eins in die Personalkantine und essen Sie einen Happen mit uns. Wir wollen alle erfahren, wie unsere jungen Anfänger von einst ihren Horizont erweitert und es in der Welt zu etwas gebracht haben.« Er hielt inne. »Sie sind doch noch medizinisch tätig, nehme ich an?«
»Ich bin Facharzt für Chirurgie in Cardiff.«
»Sehr schön, sehr schön«, meinte Hogg mit einigem Respekt. »Gute Stadt, gute Stadt, Cardiff. Ich habe in Heath mal eine Vertretung gemacht. Wer hätte das gedacht?«
Bevor Hogg von dannen sausen konnte, nutzte Dafydd die Gelegenheit und stellte ihm die Frage, um derentwillen er hergekommen war.
»Hogg … Andrew. Ich würde gern etwas wissen: Erinnern Sie sich an einen Ihrer Mieter im Wohnwagenpark, Ted O’Reilly? Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte? Sicher, es ist nicht sehr wahrscheinlich …«
»O’Reilly? Natürlich weiß ich, wo er ist. Er ist hier.«
»Ach … und wo?«
»Hier im Krankenhaus. Ich behandele ihn selbst. Er hatte eine Fußamputation wegen seiner Diabetes … Ich habe ihn gewarnt, dass das passieren würde, wenn er nicht auf sich aufpasst.«
»Warum willst du ihn treffen?«, fragte Sheila vorsichtig.
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