Zeit der Eisblueten
kohlrabenschwarzen Augen und den pferdeschweifartigen Haaren geschrieben, aber nie eine Antwort erhalten. Er konnte sich den Grund vorstellen. Das Leben musste weitergehen, und jemandem, der in solch einer harten Umgebung überleben musste, half es nichts, einer Erinnerung oder Illusion nachzutrauern. Das hätte sie zermürbt. Es war ihr Land und ihr Leben, und dort wollte sie sein.
Dennoch erschütterte ihn eine schreckliche Traurigkeit, nachdem er sie verlassen hatte. Er hatte gedacht, dass es sich bei seinem Gefühl lediglich um eine Vernarrtheit handelte, oberflächlich und kurzlebig. Aber seine Sehnsucht nach ihr hatte noch viele Monate angedauert. Allmählich war der Schmerz abgeklungen, und sie verwandelte sich in ein Fantasiegeschöpf, in jemanden, den er in seinem Geist heraufbeschworen hatte, ebenso wie ihre leidenschaftliche Begegnung … der Stoff unerfüllbarer Träume.
An seinem Quartier blieb er stehen und betrachtete das Schild über der Tür: The Happy Prospector – der glückliche Schürfer. Er lachte laut auf und schüttelte den Kopf.
»Eigentlich passe ich überhaupt nicht hierher«, sagte er zu Tillie, die ihm die Tür öffnete und augenscheinlich auf ihn gewartet hatte. Tillie schaute ihn irritiert an. »Aber Ihr Haus ist wunderbar, eine wahre Zuflucht für eine verlorene Seele«, ergänzte er schnell.
»Ich habe Ihnen die Decke umgeschlagen, Dafydd«, sagte die zierliche Frau mit ihrer üblichen Fürsorglichkeit. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Haben Sie zu Abend gegessen?«
»Alles bestens, danke, Tillie. Bis morgen dann«, erwiderte er und begann, die Treppe hinaufzugehen. Ein Gedanke ließ ihn stehen bleiben und sich umdrehen.
»Ich hätte nur gern gewusst … was ist aus Ihrer früheren Kollegin geworden: Brenda? Sie beide waren doch gute Freundinnen … Ist sie noch immer hier?«
Tillies liebliches Gesicht verdunkelte sich. »Ja, sie hat Sie auch gemocht«, antwortete sie mit einer leichten Bitterkeit in der Stimme. »Sie wurde etwa zu der Zeit, als Sie abreisten, schwanger und beschloss, an einen zivilisierteren Ort zu gehen. Sie ist zu ihrer Schwester in New Mexico gezogen und hat dann einen Ölmann geheiratet. Er ist recht wohlhabend, und nach dem zu schließen, was sie mir mitteilt, sind sie sehr glücklich. Drei Kinder – einschließlich dem, das sie bereits hatte … Sie hat immer eine Familie haben wollen, glauben Sie mir, obwohl man das manchmal nicht gedacht hätte bei ihrem Verhalten, aber nun ist sie zu einer richtig ehrbaren Frau geworden. Nichts zu machen, Dafydd.«
»Um Gottes willen, nein«, rief Dafydd verlegen. »Ich habe ja nur gefragt. Ich bin glücklich verheiratet.«
»Oh«, sagte Tillie ebenfalls beschämt und offensichtlich enttäuscht.
Das Krankenhaus sah unverändert aus. Nichts war daran gemacht worden. Nicht einmal einen Anstrich hatten die trostlosen grauen Zementblöcke bekommen. Ziemlich früh am folgenden Morgen trat Dafydd ein, vor allem aus Neugier, aber auch mit einem spontanen Vorsatz.
Er hatte sich vergewissert, dass sowohl Hogg als auch Ian noch immer dort arbeiteten, neben drei weiteren Ärzten, die dem Bevölkerungszuwachs gerecht werden sollten. Einer von ihnen, Dr. Lezzard, war ein Militärchirurg im Ruhestand, der unter dem Einfluss eines ganzen Liters Whisky die kompliziertesten Operationen ausführen konnte. All das wusste er von Tillie, die eine vorzügliche Informationsquelle war.
Er hatte gehofft, in einer der Bars auf Ian zu stoßen, aber abweichend von seinen früheren Gepflogenheiten schien Ian nicht mehr auszugehen. Andererseits fürchtete sich Dafydd ein wenig davor, ihm zu begegnen. Wie würde ein Mann in seinem Alter nach vierzehn Jahren aussehen? Was würde sich in Ian widerspiegeln, das etwas über Dafydd selbst aussagen konnte?
Eine junge Krankenschwester stoppte ihn in einem Korridor und fragte, ob sie ihm helfen könne. Es war keine Besuchszeit, und er hielt sich eindeutig unbefugt hier auf.
»Ich suche Dr. Hogg oder Dr. Brannagan.«
»Sind Sie Patient?«
»Nein. Ein früherer Kollege.«
»Dr. Brannagan ist zurzeit krankgeschrieben. Dr. Hogg befindet sich in einer Konferenz, aber er müsste bald herauskommen. Würden Sie sich vielleicht in den Warteraum neben der Rezeption setzen, und ich sage ihm dann, dass Sie hier sind … Mr …?«
»Dr. Woodruff. Dafydd Woodruff.« Das Mädchen wandte sich zum Gehen, da rief er hinter ihr her: »Verzeihen Sie. Arbeitet Janie Kopka noch immer in diesem
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