Zeit der Heimkehr
gesehen, wie Roseroar dich auseinandernahm.«
Trotz seiner jüngsten Erinnerung war es tatsächlich ein dreieinhalb Fuß großer Papagei, der nun vor den Halbkreis respekterfüllter, nervöser Freibeuter hüpfte, um den verblüfften Bannsänger neuerlich anzufunkeln.
VII
Jon-Tom merkte, daß er nicht verrückt geworden war. Der Papagei war nicht Corroboc, wenngleich die Verwandtschaft unverwechselbar war. Er war zwar selbst kein Experte in Vogelkunde, doch gab es zwischen diesem Vogel und dem verblichenen Piratenhäuptling viel zu viele Ähnlichkeiten, als daß es bloßer Zufall sein konnte. Doch auch die Unterschiede waren sehr offensichtlich. Corroboc hatte ein Holzbein besessen, und ein Auge hatte ihm gefehlt, während dieser Neuankömmling hier völlig intakt wirkte bis auf seinen linken Flügel, der geschient und verbunden war.
»Kapitän Kamaulk.« Sasheem gewährte Jon-Tom ein zahniges Lächeln. »Der Bruder unseres vielbetrauerten, vermißten Kapitäns, der Erbe seiner Titel und seiner Besitztümer.«
»Er hätte euch lieber in Frieden lassen sollen«, sagte der Papagei, »dann hätte ich bei meinen Büchern und Akten bleiben können. Oder hast du etwa geglaubt, daß dieses Vogelhirn von einem Narren, der sich mein Bruder nannte, das Geschäft allein geführt hat? Denn die Piraterie ist ein Geschäft, da mach dir mal nichts vor. Was Schiffe und Schwerter anging, war Corroboc durchaus gerissen, aber von Zahlen hat er nichts verstanden. Um den Teil habe ich mich gekümmert. Und jetzt muß ich gleich beides erledigen. So, so, dann hat eine gemeinsame Bekannte von euch ihn also auseinandergenommen? Wir haben uns schon gefragt, was mit ihm passiert ist. Welch nette Überraschung, daß die Schuldigen uns ihre Aufwartung machen. Es sieht so aus, als würde dieser letzte Beutezug uns wenigstens die Genugtuung der Rache bringen, wenn schon keinen Profit. Dein Tod wird Balsam für das Herz meines armen Bruders sein.«
»Der hatte kein Herz. Corroboc war das gemeinste, heimtückischste, böseste, sadistischste, niederträchtigste Lebewesen, das mir zu meinem Unglück jemals begegnet ist.« Kamaulk wirkte erfreut. »Ich bin sicher, daß er von deiner Schmeichelei entzückt ist, wo immer er sein mag; aber das wird dir nichts bringen, und es obliegt mir, über dein Schicksal zu entscheiden.« Mit seiner unverbundenen Flügelspitze rieb er sich den Schnabel. »Was schlägst du vor, Sasheem?«
»Ihn in Snarken zu verkaufen. Geld ist besser als Rache. Ein Bannsänger bringt auf dem freien Markt weitaus mehr als eine übelgelaunte Dame. Ich nenne das einen guten Tausch.«
»Sofern man ihn zur Mitarbeit bewegen kann.«
Benommen hörte Jon-Tom dem Gespräch zu. Er fühlte sich wie der Mitwirkende in einem Alptraum. Es konnte keine zwei Corrobocs geben. Ein solches doppeltes Übel ließ die Natur niemals zu. Natürlich war Kamaulk nicht derselbe Vogel wie sein Bruder. Es war jetzt schon deutlich, daß der intellektuellere dieses unheiligen Paars weniger impulsiv und weitaus stabiler war als sein verblichener Blutsverwandter. Das bedeutete jedoch nicht, daß er zögern würde, ihn rädern und vierteilen zu lassen, wenn er zu dem Schluß gelangen sollte, daß dies dem Interesse des ›Geschäfts‹ dienen würde.
»Du behauptest, daß er ein Bannsänger ist. Ich will deine Geschichte ja nicht anzweifeln, aber wenn dem so sein sollte, warum hat er uns dann nicht bereits alle in Kröten verwandelt oder sich selbst in einen Adler?«
»Ich glaube, daß er sein Instrument der Kraft verloren hat, Käpt'n.« Sasheem zeigte mit einem Nicken auf den schweigenden Jon-Tom. »Das Gerät, das er mit sich führt, ist nicht dasselbe wie jenes, das er damals gegen uns einsetzte, als er Gefangener auf dem Schiff eures Bruders war.«
»Ich mag diese Ungewißheiten nicht. Zahlen sind immer etwas Sicheres. Ich kann nicht glauben, daß er sich auf diese Weise gegen uns stellt, ohne dabei ein Ziel zu verfolgen.«
»Ich kann genau sehen, was er vorhat!« Ein schlaksiger Dingo zeigte hektisch auf die Bucht. Alles drehte sich um. Kamaulk ließ die Flügel flattern und ging auf Sasheems Schultern nieder. Von seinem hohen Sitzplatz aus konnte er über den Fluß blicken.
»Ich habe noch nie ein so kleines Gefährt gesehen«, bemerkte der Leopard. »Es muß dem Magier gehören.«
»Es hat sich von seiner Ankerstelle gelöst«, meinte einer der anderen Piraten.
»Nein«, beharrte jener, der Alarm geschlagen hatte, »seht doch mal, es ist
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