Zeit der Hingabe
Kopf an seiner Schulter und hielt sie fest umfangen. Für gewöhnlich fühlte er sich nach dem Liebesakt nicht erschöpft, verspürte vielmehr den dringenden Wunsch, sich zurückzuziehen. Jetzt aber erfasste ihn eine träge Müdigkeit, und sobald er die Augen schloss, würde er einschlafen.
Das wollte er nicht zulassen. Ihr Tränenfluss war versiegt, ihr Körper entspannte sich, sie schlief ein. Widerstrebend löste er sich behutsam von ihr, tastete im Dunkeln nach seinen achtlos weggeworfenen Kleidern, zog sich hastig an und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer.
Im einfallenden Zwielicht betrachtete er sie nachdenklich. Sie stellte sich nur schlafend, denn die Tränen auf ihren Wangen waren frisch. Ihm stand nicht der Sinn danach, ihre Beweggründe zu erfahren, also hob er sie kurzerhand auf die Arme, trug sie zu ihrem Bett, legte sie hinein und deckte sie zu.
Er beobachtete sie eine Weile. Immer noch quollen Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervor, und er war unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Er könnte sie verspotten. Sie würde die Augen aufschlagen, ihn mit einer spitzen Bemerkung zurechtweisen, und die Tränen wären vergessen. Vielleicht.
Aber wenn sie nur noch mehr Tränen vergoss? Weinende Frauen erschütterten ihn keineswegs. Alle Frauen, die sich mit ihm einließen, brachen früher oder später in Tränen aus, weil er für ihre albernen Spielchen unempfänglich war.
Mirandas Spiele waren keineswegs albern. Aus einem unerfindlichen Grund gab ihm ihr Weinen zu denken, vermutlich, weil sie sonst so furchtlos war. Er war beinahe versucht, sie anzusprechen, besann sich aber eines Besseren und strich ihr nur sanft eine feuchte Haarsträhne von der Wange.
Zum Teufel! Wenn er noch länger blieb, würde er noch zu ihr ins Bett kriechen und sie trösten!
Er machte auf dem Absatz kehrt und fragte sich gereizt, wo er seinen Stock gelassen hatte. Er schaute sich suchend um, ohne ihn zu entdecken, wollte indes nicht länger bleiben. So rasch sein schmerzendes Bein es zuließ, verließ er ihr Zimmer und zog die Tür leise hinter sich zu.
23. Kapitel
J ane ließ sich von Jacob in die Kutsche helfen. Er hatte keinen Versuch gemacht, sich ihr zu nähern, ihr lediglich seine Hand geboten. Und plötzlich legte sich Schwermut über sie, die sie sich nicht erklären konnte, hätte sie doch grade eben noch am liebsten aufgelacht, als Mr Bothwell wie ein gefällter Baum zu Boden gegangen war. Sie lehnte sich in die Samtpolster zurück und faltete die Hände auf dem Schoß, als der Wagen mit einem Ruck anfuhr. Ein wehmütiges Lächeln erschien auf ihren Lippen. Er war wirklich ein miserabler Kutscher.
Allerdings hatte er sich als wesentlich höflicher erwiesen als ihr verflossener Verlobter, der stets behauptet hatte, ein Gentleman zu sein. Mr Donnelly hatte sie wohlbehalten zu Hause abgeliefert und nicht tatenlos zugesehen, wie sie mit wüsten Beschimpfungen zurechtgewiesen wurde. Dabei hätte der König der Diebe mit Sicherheit wichtigere Dinge zu tun gehabt, als ihren Beschützer zu spielen. Selbstverständlich war ihm auch daran gelegen, den Ring wiederzubekommen, den er ihr in einer närrischen Laune heimlich an den Finger gesteckt hatte. Das war allerdings in völliger Dunkelheit geschehen. Danach hatte er sie häufig bei Tageslicht gesehen und sich ihr gegenüber gesittet und respektvoll verhalten … mehr nicht. Zweifellos bereute er längst seinen schwindelerregenden mitternächtlichen Kuss.
Für mich schwindelerregend, korrigierte Jane sich in Gedanken. Für einen Juwelendieb waren verbotene mitternächtliche Küsse gewiss nichts Ungewöhnliches.
Sie musste unbedingt zu Miranda. Sollte der Earl of Rochdale sie tatsächlich zwingen wollen, an einem Treffen des Satanischen Bundes teilzunehmen, schwebte Miranda in höchster Gefahr. Alle Welt kannte die Gerüchte, die über diesen Geheimbund in Umlauf waren. Dort wurden Schwarze Messen abgehalten, man trank Blut, feierte wüste Orgien mit Teufelsanbetungen und Menschenopfern. Miranda zu warnen war weitaus wichtiger, als von einem Mann zu schwärmen, der nicht nur weit unter ihrem Stand war, sondern auch ebenso unerreichbar wie der Mann im Mond.
Was würden ihre Eltern wohl sagen, wenn sie ihnen gestand, sie habe sich in einen Dieb verliebt? – Was natürlich nicht der Fall war! Man könnte es höchstens eine romantische Schwärmerei nennen, keinesfalls mehr. Dennoch eine interessante Frage. Wie würden sie reagieren?
Die meisten Eltern
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