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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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würden ihre aufsässige Tochter ohrfeigen und eine wochenlange Ausgangssperre über sie verhängen. Allerdings war Janes Vater in seinen Jugendjahren ein Lebemann und Spieler gewesen, der sich nach seiner Läuterung der Kirche anvertraut und das Amt eines Vikars übernommen hatte, bevor er sein Erbe und den damit verbundenen Adelstitel angetreten hatte. Kurzum, ihr Vater war ein weltoffener und verständnisvoller Mann. Er würde gelassen bleiben und kein vorschnelles Urteil fällen.
    Und ihre Mutter, die ihrerseits einen lockeren Lebenswandel geführt hatte, bevor sie ihren Vater kennengelernt hatte, würde sie gleichfalls nicht verdammen. Ein denkwürdiger Satz ihrer Mutter kam ihr in den Sinn: Man kann nie wissen, wo die Liebe dich findet, aber wenn sie dir begegnet, greife mit beiden Händen zu und lass dein Glück nicht entwischen!
    Natürlich handelte es sich keinesfalls um Liebe. Jane erging sich lediglich in spielerischen Mutmaßungen, um sich die Zeit zu vertreiben, diese endlosen Stunden, die sie seit Tagen in der Kutsche verbrachte. Wesentlich sinnvoller wäre allerdings, sich zu überlegen, wie sie an frische Kleider käme. Es war schlimm genug, dass sie mit nur zwei Kleidern und frischer Unterwäsche zum Wechseln, die Mrs Grudge ihr gebracht hatte, auf Reisen war und sich für ihre Morgentoilette mit einer Schüssel kaltem Wasser zufriedengeben musste. Drei weitere Tage, oder wie lange diese Reise auch dauern mochte, waren eine bedrückende Aussicht. Sie reiste zwar gern, sehnte sich nach fremden Ländern und aufregenden Abenteuern, aber auf ein Minimum an Komfort, ein gelegentliches Bad und frische Kleider wollte sie keineswegs verzichten.
    Auch eine angehende Weltenbummlerin hatte Anspruch auf ein Mindestmaß an Bequemlichkeit.
    Würde Mrs Grudge sie auch diesmal begleiten? Wie sollte eine wohlerzogene junge Dame mit einer ehemaligen Hure umgehen, die in einschlägigen Kreisen als Long Molly bekannt war? Auch nicht anders als mit der freundlichen Witwe Mrs Grudge, beschloss Jane. Was für ein Leben sie auch geführt haben mochte, Mrs Grudge war eine angenehme und fürsorgliche Reisebegleiterin gewesen, die sie obendrein auch noch mit amüsanten, wenn auch erfundenen Geschichten über einen Schürzenjäger erheitert hatte, den Hausburschen, der in die Rolle eines Kutschers geschlüpft war.
    Der Wagen kam wie üblich mit einem Ruck zum Stehen. Jane konnte sich gerade noch rechtzeitig festhalten, um nicht auf die andere Sitzbank geworfen zu werden. Draußen auf der Straße wurde Stimmengewirr laut, von dem sie nur Bruchstücke verstand. Der Wagenschlag wurde geöffnet, und Jacob Donnelly stand vor ihr.
    Sie machte Anstalten, auszusteigen, aber er schüttelte den Kopf. „Nicht hier, Miss Jane. Zwei Männer achten auf die Pferde, und vier kräftige Burschen bewachen die Kutsche, um Sie vor Belästigungen zu schützen. Ich möchte Sie nicht diesem Gesindel aussetzen.“ In seinen Augen blitzte der Schalk; die Bezeichnung Gesindel war gewiss übertrieben. Aber er fuhr im gleichen ernsten Tonfall fort: „ Beggar’s Ken ist ein Zufluchtsort für Vagabunden und Diebe, seit ich denken kann. Eine Dame wäre hier fehl am Platz. Ich erledige meine Geschäfte so schnell wie möglich, und dann brechen wir auf.“
    „Ja, aber …“ Sie zögerte, wollte nicht anspruchsvoll erscheinen.
    „Ja, aber – was?“
    „Besteht eventuell die Möglichkeit, mir frische Kleider zu besorgen? Und vielleicht etwas zu essen?“
    Wieder blitzten seine Augen vergnügt. „Ich kümmere mich darum.“ Und nach einer Pause fügte er hinzu: „Wenn Sie wünschen, kann ich Sie auch ins Landhaus Ihrer Eltern bringen. Sie müssen nicht bei mir bleiben. Und ich verspreche Ihnen, dass ich Ihren früheren Verlobten nicht in Ihre Nähe lasse.“ Er zog die Mundwinkel verächtlich nach unten.
    Er sucht nach einer Ausrede, um mich loszuwerden, dachte Jane mutlos. „Sie müssen mich nirgendwo hinbringen“, entgegnete sie betont sachlich. „Ich kann mir eine Mietdroschke zurück in unser Stadthaus nehmen. Mr Bothwell hat sich mittlerweile gewiss zurückgezogen, und ich werde unserem Hauspersonal Anweisung geben, ihm den Zutritt zu verweigern. Sie müssen sich nicht verantwortlich für mich fühlen. Sie haben gewiss Wichtigeres zu tun, als …“
    Er stellte einen Fuß auf das Treppchen, schwang sich hoch und beugte sich in die Kutsche. Jane entfuhr ein kleiner nervöser Laut, der von seinem Mund auf ihren Lippen erstickt wurde. Er

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