Zeit der Hingabe
fünften Hochzeitstages zu einer Redoute in ihr Haus einzuladen. Gelangweilt warf Miranda die Karte auf das Silbertablett und setzte sich an den Kamin.
„Eine höfliche Geste, nichts weiter“, sagte sie. „Wenn ich mich recht entsinne, war der Duke in seiner Jugend ein glühender Verehrer meines schockierenden Großvaters und hat sich mir gegenüber stets zuvorkommend verhalten. Ich sage selbstverständlich ab.“
„Du sagst nicht ab!“, erklärte Jane in aller Entschiedenheit. „Ich bin nämlich ebenfalls eingeladen. Aber du weißt, dass ich meine Eltern unmöglich zu einem Besuch in der Stadt überreden kann. Und ohne Begleitung kann ich dort nicht erscheinen. Wäre Mr Bothwell in London, würde er absagen, da er nichts von Maskenbällen hält, weil er sie unschicklich findet. Wenn du mich nicht begleitest, habe ich nie wieder Gelegenheit, ein lustiges Fest zu besuchen. Im Übrigen brenne ich darauf, Lady Carrimores berühmten Schmuck zu sehen. Sie soll einen Diamanten in der Größe eines Taubeneies besitzen.“
„Die Carrimores werden noch viele festliche Bälle geben, die den Geschmack deines Verlobten nicht beleidigen, zu denen er dich begleiten wird.“
„Mr Bothwell hält nicht viel von den Carrimores. Er behauptet, sie sind nicht vornehm genug und möchte nicht, dass ich Umgang mit ihnen pflege.“
„Und was sagt der feine Herr über mich?“
„Er würde es nicht wagen, Kritik an dir zu üben“, beeilte sich Jane zu versichern, was Miranda vom Gegenteil überzeugte. „Bitte, Miranda“, fuhr sie flehend fort. „Du bist seit einer Ewigkeit nicht ausgegangen. Und wenn jemand es wagen sollte, dich zu brüskieren, bekommt er es mit mir zu tun. Du tust ja gerade so, als sei dies eine Einladung zu einer Orgie des Satanischen Bundes.“
„Vorausgesetzt dort finden überhaupt Orgien statt“, stellte Miranda fest. „Kein Mensch weiß doch, was die so treiben.“
„Orgien … Ich wäre irgendwie enttäuscht, wenn dort nur langweilige sittsame Dinge vor sich gingen, wenn ich an den grässlichen Ruf dieses Geheimbunds denke. Aber es geht doch nicht um den Satanischen Bund, sondern um ein harmloses Fest eines herzoglichen Paares. Im Übrigen tragen die meisten Gäste Dominokostüme und Masken. Niemand muss wissen, wer du wirklich bist. Wir mischen uns unter die Gäste, amüsieren uns, lachen und tanzen nach Herzenslust. Wir bleiben nicht lange, und zu Hause öffnen wir eine Flasche Champagner, machen uns über das affektierte Gebaren der Gäste lustig und freuen uns darüber, dass wir anders sind als sie. Mr Bothwell ist ja der Meinung, Diamanten zu tragen sei protzig und vulgär. Er findet, eine Korallenkette passt wesentlich besser zu meinem Stil.“
„Die ist auch wesentlich billiger“, murmelte Miranda spitz. Seit ihrer Kindheit hatte sie ihrer Freundin Jane jedes Geheimnis anvertraut. Schon ihre Mutter war innig mit Janes atemberaubend schöner Mutter befreundet gewesen. Unvermutet kam ihr in den Sinn, dass sie ihr mitternächtliches Rendezvous mit Lucien de Malheur mit keinem Wort erwähnt hatte, ohne eigentlich den Grund dafür zu kennen. Wenn die Carrimores sich nicht scheuten, sie zu einem Ball einzuladen, würden sie vermutlich auch Lucien de Malheur dazu bitten. Und da er ihre Existenz völlig vergessen zu haben schien, könnte sie die Chance wahrnehmen, dort zu erscheinen, wo auch er anzutreffen wäre. Sie hatte sich damit abgefunden, von der guten Gesellschaft gemieden zu werden, fand es allerdings empörend, sich eine solche Behandlung von einem gleichfalls Geächteten wie dem Skorpion zu erfahren.
„Vielleicht nehme ich an. Aber nur unter der Bedingung, dass wir rechtzeitig vor der Demaskierung gehen. Ich möchte die bestürzten Gesichter der Gäste nicht sehen, wenn sie feststellen, dass sie mit einer schamlosen Hure geplaudert haben.“
„Hör auf, so zu reden! Das passt gar nicht zu dir. Wir werden Spaß haben, du wirst sehen. Wie in alten Zeiten. Niemand weiß, wer wir sind, und wir können so frivol sein, wie wir wollen.“
„Die meisten Leute sind der Meinung, dass ich mich in meinem Leben frivol genug benommen habe, meine Liebe“, entgegnete Miranda in einem Anflug von Bitterkeit.
„Ach, so meine ich das nicht“, verteidigte Jane sich. „Ich denke eher daran, dass wir ausgelassen tanzen können und nicht mit Leuten reden müssen, die uns unsympathisch sind. Bald beginnt für mich der Ernst des Lebens in einer Vernunftehe, und ich darf nicht mehr unbeschwert
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