Zeit der Hingabe
lachen und tanzen. Bitte Miranda, gönne mir diesen Spaß.“
„Deine Überredungskunst ist bewundernswert, Liebes.“ Es war verlockend, sich in Maske und Kostüm unerkannt unter die Gäste zu mischen. Und Janes Wehmut schien verflogen, ihre Augen strahlten in begeisterter Vorfreude. „Wann soll das Fest denn stattfinden?“, fragte Miranda und überlegte bereits, ob sie eine Reise aufs Land unternehmen sollte, um der Versuchung einer Zusage zu entgehen. Das wäre die wesentlich klügere Entscheidung.
„Hast du die Einladung nicht gelesen? In drei Tagen. Wir haben unsere Einladung bereits vor Wochen erhalten. Vielleicht ist deine nur versehentlich liegen geblieben.“
„Oder die Gastgeber zögerten so lange, ob sie mich einladen sollen“, meinte Miranda skeptisch. Waren die Carrimores möglicherweise dazu überredet worden? Von einem einflussreichen geheimnisvollen Fremden, der ebenso plötzlich aus ihrem Leben verschwunden wie er einst aufgetaucht war?
„Ich besorge die Dominokostüme und Masken“, erklärte Jane eifrig.
Es war falsch, ebenso falsch wie Lucien de Malheurs Haus zu betreten. Ach was, zum Teufel mit den alten Krähen, die sich brüskiert abwenden würden, wenn sie wüssten, wer sich hinter dem Domino versteckte. „Besorge mir ein rotes Kostüm“, sagte sie entschlossen. Und der letzte wehmütige Schatten wich aus Janes warmen braunen Augen.
Am Abend des festlichen Balls bei den Carrimores war Miranda schlechter Stimmung. Nicht dass sie es zugegeben hätte. Was kümmerte sie ein Mensch wie dieser Lucien de Malheur? Er war ihr bei ihrem Missgeschick mit dem gebrochenen Wagenrad behilflich gewesen, hatte sie zu einer musikalischen Soiree eingeladen und bei Kerzenschein mit ihr gespeist. Sein geistreicher Humor und sein Charme hatten ihr gefallen. Und das war alles.
Sie hatte schon überlegt, ob er aufs Land gereist war, doch dann hatte sie zufällig im Park gehört, wie zwei korpulente Matronen sich darüber ereiferten, dass Lord Rochdale in Begleitung einer gewissen Tänzerin die Oper besucht hatte. Miranda musste sich damit abfinden, dass er sie einfach vergessen hatte. Er hatte sie höflich und zuvorkommend behandelt, hatte seine Pflicht erfüllt und sich anscheinend mit ihr zu Tode gelangweilt. Sei’s drum. Mit solchen Menschen wollte sie ohnehin nichts zu tun haben. Sie wollte nur ihren Frieden und sehnte sich nach ihrem Landhaus in Dorset, idyllisch hoch über den Klippen gelegen. Nicht, dass sie vor etwas davonlaufen wollte. Wovor denn auch?
Jane fieberte geradezu vor Aufregung in ihrem hellblauen Domino und hatte wunschgemäß ein rotes Kostüm für Miranda besorgt. Vor dem Haus der Carrimores reihten sich die eleganten Karossen der Gäste die Straße entlang, und als ihre Mietdroschke am hell erleuchteten Portal vorfuhr, bereute Miranda ihre unbedachte Zusage. Doch nun war es zu spät. Ein Diener öffnete den Wagenschlag und ließ das Treppchen herunter. Miranda zog die Kapuze ihres Umhangs tief in die Stirn und vergewisserte sich, dass die Maske richtig saß, bevor sie der Freundin in das festliche Vergnügen folgte.
Ihre Stimmung hellte sich ein wenig auf, als beschwingte Orchesterklänge aus dem Ballsaal im ersten Stock an ihr Ohr drangen. Sie war eine leidenschaftliche Tänzerin und hatte seit einer Ewigkeit nicht getanzt. Heute Nacht musste sie sich keine Gedanken darüber machen, ob es unschicklich war, mit einem Herrn drei Mal hintereinander das Tanzbein zu schwingen, wenn ihr der Sinn danach stand. Sie war gekommen, um einen vergnügten Abend zu verbringen und sich zu amüsieren.
Sie begegnete Janes heiterem Blick. Die Vorfreude auf das Fest hatte ihr all die Hemmungen und Besorgnisse genommen, die Mr Bothwell ihr eingeredet hatte. Miranda wünschte, sie hätte eine Möglichkeit, diese Verbindung zu verhindern. Aber durch ihre Verbannung war ihr jede Einflussnahme verwehrt. Und Jane würde niemals wagen, die Verlobung zu lösen.
Ehe Miranda es sich versah, wurde Jane von einem jungen Herrn in Uniform und Halbmaske vor dem hübschen Gesicht aufs Tanzparkett entführt, und sie schmunzelte über die verdutzte Miene der Freundin. Im nächsten Moment verneigte sich ein älterer Gentleman vor Miranda, und wenig später drehte sie sich ebenfalls im Walzertakt auf dem dicht gedrängten Parkett.
Sie tanzte zum ersten Mal seit Jahren, und ein seliges Freiheitsgefühl stieg in ihr auf. Sie schwebte wie auf Wolken und hätte am liebsten vor Glück gejauchzt. Die Kapuze glitt
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