Zeit der Hoffnung - Key of Knowledge (02 Key)
lügst.«
»Lauf und du riskierst dein Leben. Gib auf und rette es.«
»Wähle«, sagte er noch einmal, und sie spürte, wie sich die heiße Seide des Schals um ihren Hals legte.
Entsetzt packte sie ihn und zerkratzte sich selber den Hals mit den Fingernägeln. Sie rang nach Luft und kämpfte verzweifelt gegen die Illusion des erstickenden Schals an. Das Blut rauschte ihr in den Ohren.
Dann plötzlich war sie frei, und nur noch der Flur zur letzten Treppe lag vor ihr.
Tränen brannten in ihren Augen, als sie dorthin rannte und sich mühsam am Geländer hochzog, weil ihr verletztes Knie ihr nicht mehr gehorchte.
Mit zitternden Händen drehte sie am Türgriff und taumelte keuchend hinaus in den silbrigen Mondschein.
Sie war oben auf den Zinnen, hoch über dem Tal, wo Lichter in der Dunkelheit schimmerten. Dort lebten Menschen in der Sicherheit und Wärme ihrer Häuser. Sie kannte sie, und sie kannten sie. Freunde, Familie, ein Geliebter.
Aber das alles war unerreichbar weit weg.
Sie war allein, und sie konnte nirgendwohin mehr fliehen.
Sie schlug die Tür hinter sich zu und blickte sich suchend um, ob sie irgendetwas fände, mit dem sie die Tür verrammeln könnte. Wenn sie den Mörder bis zum Tagesanbruch drinnen festhalten könnte …
Nein, nicht den Mörder. Kane. Es war Kane.
Sie war Dana, Dana Steele, und sie wurde von jemandem gejagt, der viel schlimmer war als ein Mörder.
Sie drückte die Hände gegen die Tür und blickte sich um. Da sah sie, dass sie sich geirrt hatte. Sie war nicht allein.
Die Gestalt schritt im Mondschein an den Zinnen entlang, eine von Ringen glitzernde Hand auf den Steinen. Ihr Umhang bauschte sich im Wind.
Das Gespenst von Warrior’s Peak, dachte Dana und schloss einen Moment lang die Augen. Jordans Geist.
»Er kommt.« Sie war erstaunt, wie ruhig ihre Stimme klang, obwohl ein wahnsinniger Killer hinter ihr her war.
»Er will mich töten, aufhalten oder mir meine Seele nehmen. Es kommt auf das Gleiche heraus. Ich brauche Hilfe.«
Aber die Gestalt drehte sich nicht um. Sie stand nur da und blickte auf den Wald, wo sie vor zweihundert Jahren an der Liebe gestorben war.
»Du bist doch Jordans Schöpfung, nicht Kanes. Im Buch hast du geholfen, und die Tat hat dich erlöst. Willst du denn nicht frei sein?«
Der Geist schwieg.
»Kates Dialog«, sagte Dana laut. »Ich brauche Kates Worte. Wie lauten sie?«
Noch während sie versuchte, sich daran zu erinnern, wurde die Tür aufgerissen, und sie fiel rücklings auf den Steinboden.
»Sie kann dir nicht helfen«, sagte Kane. Er ließ den Schal durch seine Finger gleiten. »Sie ist nur eine Requisite.«
»Das sind alles nur Requisiten.« Wie ein Krebs kroch sie rückwärts. »Es sind alles nur Lügen.«
»Und doch blutest du.« Er wies auf ihren Arm, ihren Hals. »Ist der Schmerz ebenfalls eine Lüge? Oder deine Angst?« Lächelnd kam er näher. »Du warst ein anstrengender Gegner. Du hast einen scharfen Verstand und einen starken Willen. Klug und stark genug, um ein paar Teilchen meines Bildes zu verändern. Es hat dich beachtliche Kraft gekostet, dir die Treppe und die Tür zu diesem Ort hier vorzustellen. Und sie hierher zu bringen«, er wies auf die Gestalt im Umhang, »war sogar noch schwerer. Ich ziehe meinen Hut vor dir.«
Zitternd öffnete sie den Mund, dann schloss sie ihn wieder. Hatte sie sich den Weg, die Tür nur vorgestellt? Hatte sie den Geist nur in ihrer Fantasie erschaffen?
Nein, das glaubte sie nicht. Sie war doch vor lauter Verwirrung im Kreis gelaufen.
Jordan. Es war Jordans Buch. Und er ein kluger und willensstarker Mann. Er versuchte irgendwie, ihr zu helfen. Und sie wollte verdammt sein, wenn ihm das nicht gelang.
Sie war Dana, rief sie sich ins Gedächtnis. Und sie war Kate - Jordans Kate. Keine von beiden würde sich ergeben.
»Vielleicht sollte ich mir ja vorstellen, wie du von dieser Mauer in den Tod stürzt.«
»Du fauchst ja immer noch, wie eine in die Enge getriebene Katze. Vielleicht lasse ich dich einfach hier, tief im Buch. Dafür solltest du mir dankbar sein, schließlich liebst du Bücher doch so sehr.«
Er legte den Kopf schräg, als sie aufstand. Offenbar hatte er gesehen, dass sie vor Schmerzen zusammenzuckte. »Vielleicht trete ich auch zurück und lasse den Mörder heraufkommen. Es könnte interessant sein zuzuschauen, wie du gegen ihn kämpfst. In meiner Version würdest du allerdings nicht gewinnen. Aber unterhaltsam wäre es ja auf jeden Fall. Ja, ich glaube, das würde mir
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