Zeit der Jaeger
so voreilig angreifen, ohne das Gelände zu seinem Vorteil zu nutzen, frapos?«
»Pos«, knurrte Petr. Nach einem weiteren fröhlichen Lachen Jesups gelang es sogar einem kurzen Lächeln, die Gewitterfront seiner Miene aufzuhellen. Wie schafft es dieser Kerl bloß, dass ich ihn nicht umbringe?
»Sieht aus, als wäre ich an der Reihe«, bemerkte Jesup lässig.
Wieder massierte Petr die Steuerknüppel und sehnte sich danach, endlich selbst in den Kampf zu ziehen. »Ergreif deine Chance, Jesup.«
»Pos, obKhan«, kam die Antwort zurück, wie durch ein Wunder ohne die üblichen Ausschmük-kungen.
Der Thor neben Petrs Tiburón wuchtete vor und wurde rasch schneller. An Beweglichkeit konnte er mit seiner Maschine nicht mithalten, bedachte man aber seine Masse von siebzig Tonnen, erreichte Jesups Thor eine respektable Geschwindigkeit.
Fast anderthalb Kilometer entfernt setzte sich ein Kriegshammer IIC der Betas in Bewegung. Obwohl sich Jesups Gegner weit außerhalb seiner Waffenreichweite befand, konnte Jesup es sich nicht verkneifen, das Fadenkreuz einzublenden. Er zog es auf den Feind und holte ihn auf dem Sichtschirm näher, wartete, hoffte auf das goldene Aufleuchten der Grafik und den klaren Glockenton, die eine Zielerfassung meldeten. Nach ein paar Sekunden zog er das Fadenkreuz beiseite und nahm die Hand vom Steuerknüppel. Diesen Sieg würde Jesup verbuchen, nicht er.
Auf ihn wartete Sha Clarke, wie er es schon von Beginn an gewusst hatte.
Seltsam.
Der Unterschied zwischen dem Beobachten eines Kampfes und der Teilnahme daran war ähnlich dem, ob man von einer interstellaren Transition las oder selbst die brutale, schockierende Erfahrung machte, dass das Gewebe der eigenen Existenz zerfetzt, verformt und durchgeschüttelt wurde, bis man Lichtjahre entfernt rematerialisierte. Es gab keinen Vergleich.
Für Petr bestand ein Kampf aus einer Serie von Zeitverzerrungen, die auf eine Weise hin und her wogten, für die >desorientierend< ein mehr als gelinder Ausdruck war. Zwischen einem Blinzeln und dem nächsten konnte subjektiv eine Viertelstunde vergehen.
Als er das Gefecht zwischen Jesup und seinem Beta-Kontrahenten jetzt verfolgte, verspürte er eine
Zeitverzerrung anderer Art. Die Minuten dehnten sich, bis jede Sekunde ein Menschenalter zu dauern schien, jede Minute ein ganzes Jahrhundert. Seine ständig wachsende Ungeduld drohte ihn zu verschlingen. Seine Gier, endlich selbst zu kämpfen.
Zwei bläuliche Entladungen künstlicher Blitzschläge zerschnitten nur die Luft, als Jesup die größere Beweglichkeit des Thor nutzte, um der geballten Feuerkraft des Beta-Mechs einen Sekundenbruchteil voraus zu bleiben. Selbst im Sprung schaffte er es, mehrere Lasertreffer und eine halbe Raketensalve in die untere Flanke des Kriegshammer IIC zu versenken, wo sie Panzerung wegsprengten und zerschmolzen.
Es war ein Duell zwischen Panzerung und Feuerkraft gegen Beweglichkeit. Ein Spiel, das einem Krieger das Äußerste ab verlangte. Ein Kampf, in dem Petr verzweifelt auf einen Sieg Jesups hoffte, der die Ausbeute der Siege und Niederlagen klar zu Gunsten Aimag Deltas verschieben würde.
Eine Konfrontation, von der er nicht wirklich glaubte, dass Jesup sie durchstehen konnte.
Ein weiterer Schusswechsel zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Feuerwerk aus Farben - Blau, Rot, flackerndes Orange - färbte den Himmel über dem Kampfplatz. Ein erneuter Einsatz der Sprungdüsen trug den Thor über eine Felsenschlucht und setzte ihn gefährlich nahe am Kriegshammer IIC ab, allerdings in dessen Flanke, wo der Beta-Mech kostbare Sekunden brauchte, um den Rumpf zu drehen und beide PPKs einzusetzen. Der Thor feuerte mit allem, was ihm zur Verfügung stand. Infernalische Energien schlugen über dem Kriegshammer zusammen, schälten Panzerung vom Rumpf und schüttelten den Koloss durch, als stünde er noch in dem Orkan, der bis vor Kurzem getobt hatte.
Petr wusste den Wagemut dieses Angriffs zu schätzen, aber er verzog schmerzlich das Gesicht bei dem Gedanken an die Backofentemperaturen, die nach einer derartigen Breitseite im Cockpit des Thor herrschen mussten.
Spring. Petr lehnte sich vor. Spring. Versuchte, es zu erzwingen. Sprach es laut aus. »Spring!«
Ob Jesup in seiner Arroganz glaubte, den Kriegshammer IIC genügend beschädigt zu haben, oder die erdrückende Hitze ihn einen Moment zu langsam reagieren ließ, spielte letztlich keine Rolle. Der Kriegshammer drehte den Torso beinahe übermenschlich schnell und schleuderte
Weitere Kostenlose Bücher