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Zeit der Jaeger

Zeit der Jaeger

Titel: Zeit der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randall Bill
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einzigen Augenblicks zogen deren zehntausende Seelen an Petrs innerem Auge vorbei. So sehr sie sich beeilten, sich auf die Kollision oder den Schub vorzubereiten, es konnte nicht genügen. Ganz gleich, wie gut die Disziplin an Bord war, ein derartiger Zwischenfall hatte sich einfach schon viel zu lange nicht mehr ereignet, und die Menschen hatten zu wenig Zeit, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Gegenstände würden nicht ausreichend verstaut bleiben. Vielen würde die Zeit nicht genügen, alles abzusichern, sich selbst eingeschlossen.
    Es würde Schäden geben.
    Zahlreiche Verletzte.
    Tote.
    »Drei, zwo, eins, jetzt. Maximaler Schub.« Wie ein von Konners Stimme gesteuerter Automat reagierte die Hand des Piloten sofort, flog über Schalter und Knöpfe, fuhr die Triebwerke auf volle Leistung hoch.
    Wie ein plötzlich brünftiges Tier zitterte und schüttelte sich das ganze Schiff. Es vibrierte auf ganzer Länge, verursachte sekundäre Beben entlang der Hauptstreben sämtlicher Decks. Die Druckwellen peitschten in die Hülle, die weit über die zulässige Belastung waberte.
    Augenblicklich kam es auf zwei Decks zu einem kleineren Hüllenbruch.
    Die gigantischen Schubtriebwerke drückten das Schiff mit einem Andruck vor sich her, dem es seit Jahrzehnten nicht mehr ausgesetzt gewesen war. An drei weiteren Stellen brach die Hülle, und mehrere Decks versanken wegen Stromausfällen in Dunkelheit.
    Die schiere Masse des Frachtschiffs ließ es fast als ein Wunder erscheinen, dass sich die Gleiter durch die Leere überhaupt bewegte. Petr stellte sich vor, wie sich das Gefüge des Alls vor dem Bug des Schiffes teilte, eine wütende Bugwelle aus schäumendem Weltraum, aus seiner endlosen Stille gerissen und in einen Mahlstrom gezwungen, der um das Schiff tobte und sich hinter dem Heck in heftigen Wirbeln entlud.
    Die Sekunden tickten vorbei, als das titanische Raumschiff versuchte, die gewaltige Massenträgheit zu überwinden und sich in Bewegung zu setzen.
    Auf Konners Befehl hin teilte sich das Bild auf dem Hauptsichtschirm in zwei Hälften. Die linke Seite zeigte den Weltraum vor dem Schiff, die rechte die Sicht am Heck entlang auf das ankommende Sprungschiff, ihr mögliches Ende.
    Petrs Hände klammerten sich um die Kante seines Sitzes. Auch wenn er der oberste Kommandeur der Gemeinschaft war, besaß der Kapitän des Schiffes in Augenblicken wie diesem absolute Macht. Petr hasste das Gefühl der Hilflosigkeit.
    Die Crew ließ keine Sekunde in ihren Anstrengungen nach, und Konner peitschte seine Befehle über die Brücke, schickte Reparaturteams zu den Hüllenbrüchen und Stromausfällen. Aber trotzdem waren alle Augen auf die Heckansicht gerichtet.
    Zu wenig Schub. Petr knirschte mit den Zähnen. Seine Muskeln schmerzten nach Tagen doppelter Schwerkraft, um den Sprungpunkt schneller zu erreichen.
    Zum ersten Mal bedauerte er, dass er die ursprünglichen Schubtriebwerke der Gleiter durch die Leere gegen kleinere Maschinen ausgetauscht hatte, die jetzt ihre liebe Last hatten, jämmerliche zwei G Schub zu produzieren. Das Knirschen und Knacken und metallische Singen, das alles an seine Ohren drang, erinnerte ihn schmerzhaft daran, dass das Frachtschiff unter solcher Beanspruchung auseinanderbrechen konnte, selbst wenn das Bocken des Schiffes allein dies nicht schon deutlich gemacht hätte. Langsam, schmerzhaft zögernd, bewegten sie sich.
    Schweiß perlte über sein Gesicht und lief in Richtung Nacken.
    Die Sekunden wurden zu Minuten. Die Minuten dehnten sich. Die Geschwindigkeit nahm zu. Noch immer stöhnte und kreischte das ganze Frachtschiff, aber Petr spürte, wie es sich allmählich an die Belastung gewöhnte, sich an den wummernden Rhythmus der Fusionstriebwerke anpasste.
    Als Petr in Gedanken fünfzehn Minuten zählte, trat ein sc hm erzliches Lächeln auf seine Züge. Bei zwanzig qualvollen Minuten lachte er laut auf, mit schmerzendem Brustkorb und mühseligem Klang. Obwohl er wusste, dass ihn sein Lachen unbeliebt machte, konnte er nicht aufhören. Es war das Gelächter der Verdammten.
    Was für eine wundervolle Ironie. Der Mann, den ich dringender als jeden anderen sehen will, trifft Tage früher als geplant hier ein und bringt uns dabei möglicherweise alle um.
    Sein panisches Gelächter erreichte einen schrillen Höhepunkt und gellte über die Brücke, als das Universum ein Arcschiff ausspie, das Raum-Zeit-Gefüge aufriss und eine Woge von Schmerz, Leid und Qualen ausstieß, bevor es seinen verletzten

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