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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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Grab in London«, brachte sie mühsam hervor.
    »Seien Sie still, sprechen Sie jetzt nicht.«
    Sie hob mit Mühe eine Hand an ihre Brust. »Es schmerzt.«
    Jetzt erst erkannte er, dass dort das meiste Blut herkam, nicht aus der Schnittverletzung auf ihrer Stirn oder dem tiefen Kratzer auf dem Kinn. Rutledge versuchte, sein Taschentuch in die Wunde zu stopfen. Er schnürte den Bindegurt ihres Nachthemds fest um ihre Brust, aber er war kein Arzt und es war ohnehin unmöglich, sie zu retten.
    »Nicht in Dudlington«, wiederholte sie und versuchte, seine Hand zu nehmen, damit er es ihr versprach.
    »Was hat Ihr Mann getan?«, fragte er. »Warum haben Sie ihn umgebracht?«
    »Er hatte eine Neigung zum Glücksspiel entwickelt. Er stand kurz davor, alles zu verspielen, was wir hatten.«
    »Und Emma? Womit hatte sie den Tod verdient?«
    »Sie hat ihre Mutter gefunden, als sie diesen verfluchten Bogen und die Pfeile gesucht hat.« Das Gesicht, das bis jetzt keine Gefühlsregung gezeigt hatte, begann sich zu verändern. »Ich
konnte meine Enkelin doch nicht nach London gehen lassen, damit sie dort mit einem gewöhnlichen Verbrecher lebt. Selbst dann nicht, wenn er ihr Vater war. Und nachdem - nachdem sie Beatrice gefunden hatte, gab es kein Zurück mehr. Es hat mir das Herz gebrochen.«
    Ihre Atmung veränderte sich, und er konnte fühlen, wie ihr Körper darum rang, Luft zu schöpfen, während ihre Lunge gegen die Verletzung ankämpfte.
    »Wenn ich Ihnen etwas verrate, werden Sie mich dann in London begraben?«, stieß sie eilig hervor, während sie sich anstrengte, bei Bewusstsein zu bleiben.
    »Versprechen kann ich es Ihnen nicht …«
    »Dann nehme ich es eben mit ins Grab.« Ihre Lider flatterten kurz, und dann war sie von einem Moment zum anderen tot.

35.
    Rutledge ließ sie auf das Gras zurücksinken und breitete die Decke aus dem Wagen über ihr aus.
    Sie war, dachte er, eine Frau mit großem Stolz und einem ausgeprägten Sinn dafür gewesen, was sie ihrem Namen schuldig war. Sie war die letzte der Familie Harkness gewesen und eher bereit zu töten als den Namen zu entehren. Ein Paradox …
    Er hatte keine Zeit, sich Gedanken über Mary Ellison zu machen. Nicht jetzt. Hamish schrie ihm etwas ins Ohr und Rutledge zog sich langsam auf die Füße und drehte sich zu dem Hang hinter sich um.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass es zu einer persönlichen Begegnung mit diesem Mann kommen würde. Nicht heute Nacht, möglicherweise sogar nie, es sei denn, ein Schuss würde aus nächster Nähe auf ihn abgegeben. Und in seiner Sorge um Mary Ellison hatte er sich eine Blöße gegeben, sich dem Fremden schutzlos ausgeliefert.
    »Sie hat die Kugel erwischt, die für Sie bestimmt war«, sagte der Mann. »Ich hatte nicht die Absicht, eine unschuldige Frau zu töten.«
    Er wirkte entkräftet, als hätte er einige Zeit unter freiem Himmel übernachtet und sich nur durch hartnäckige Entschlossenheit auf den Beinen gehalten.
    Und den Revolver hielt er immer noch in der Hand.
    Rutledge sagte kein Wort. Er stand ohne jede Deckung da und wartete. Der Wind pfiff vom Hügel herunter und zerzauste
sein Haar. Er konnte sich nicht erinnern, was aus seinem Hut geworden war. Er vermutete, dass er noch am Garderobenständer in Hensleys Büro hing. Es spielte keine Rolle. Sein Hut hätte ihm jetzt auch nicht das Leben gerettet. In den Schützengräben hatten sie gelernt, dass Helme eine Notwendigkeit waren. Er war nicht sicher, was aus seinem …
    Er kämpfte darum, sich die Gegenwart nicht entgleiten zu lassen.
    Hamish war da. Er war jetzt in den Vordergrund gerückt und versuchte, die Zügel an sich zu reißen. »Ich bin noch nicht bereit zu sterben. Und ich lasse nicht zu, dass du stirbst.«
    »Es gibt nichts, was ich tun kann«, erwiderte Rutledge darauf. Dieser Zeitpunkt hatte zwangsläufig kommen müssen. Das stand schon fest, seit er in London auf den Stufen vor Maryanne Brownings Haus gestanden hatte. Er konnte von Glück sagen, dass es zu dieser Begegnung nicht schon eher gekommen war. Dass er seinen Auftrag erledigt hatte. Plötzlich fühlte er sich müde und lustlos. Er wollte nicht kämpfen.
    »In Schottland wolltest du nicht sterben. Du darfst nicht einfach jetzt sterben.«
    Er nahm den Mann deutlich wahr, der ihm auf der menschenleeren Landstraße gegenüberstand. Er trug die Kleidung eines Arbeiters, eine Kordhose mit Schlammspritzern, ein Flanellhemd und einen schweren Mantel, der aussah wie aus den Überresten eines abgelegten

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