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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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der Kugel hören, die an seinem Ohr vorbeiflog.
    »Betteln Sie!«
    Rutledge blieb unbeweglich stehen. »Der Tod dieser Frau war ein Unfall«, sagte er. »Lassen Sie sich von mir helfen. Bevor es zu spät ist.«
    Der nächste Schuss schien sein Haar zu zerzausen, und er zuckte gegen seinen Willen zusammen.
    »Verdammt noch mal, betteln Sie!«
    Ein weiterer Schuss verfehlte ihn weit, und der Revolver wackelte, als der Mann zu weinen begann. Die Tränen rannen unbeachtet über sein Gesicht.
    Dann war der Revolver wieder ruhig, und die Mündung wies direkt auf Rutledge.
    Rutledge wappnete sich. Er konnte nicht sicher sein, wie viele Schüsse noch übrig waren. Aber er kam nicht an den Mann heran, und er wusste, dass der nächste Schuss ihn nicht verfehlen würde, wenn der Mann ihn treffen wollte.
    »Hören Sie mir zu«, begann Rutledge. »Mein Tod wird Ihre Toten nicht auferstehen lassen. Er wird noch nicht einmal Sie persönlich zufriedenstellen. Auch wenn Sie ein Dutzend meinesgleichen töten, kann es nichts daran ändern, was in Frankreich passiert ist. Daran kann nichts etwas ändern.«
    »Ich hatte nie vor, Sie zu töten«, sagte der Mann schließlich. »Ich wollte nur die Angst auf Ihrem Gesicht sehen und Sie um Ihr Leben flehen hören.«
    »Dazu bringen Sie mich nicht. Dazu bringt mich niemand.«
    Hamish war ebenso wütend wie er, hilflos dem Tod ausgeliefert.
    Die Mündung blieb fest auf ihn gerichtet, und es schien, als vergingen Minuten. Und dann bewegte sich der Mann.

    Im ersten Moment glaubte Rutledge, er würde sich selbst töten. Er hob den Revolver mit einer einzigen flüssigen Bewegung an seine Schläfe, aber statt abzudrücken hielt er den Lauf zum Salut an seine Stirn. Es war grotesk, eine Verhöhnung der Ehrerbietung, die die Mannschaften den Offizieren bezeugten. Und doch war es auch ein Zugeständnis.
    Er wandte sich ab, schritt forsch den Hang hinauf und verschwand im Dunkel der Nacht.
    Rutledge suchte eine Stunde, wenn nicht länger, nach ihm. Aber ohne Taschenlampe und ohne die leiseste Ahnung, welche Richtung der Mann eingeschlagen hatte, konnte er sein Versteck nicht finden, den Ort, an dem er untergetaucht war.
    Hamish sagte: »Morgen. Bei Tageslicht.«

36.
    Rutledge fuhr seinen eigenen Wagen an den Straßenrand und hob dann Mary Ellisons Leichnam in Mrs. Channings Fahrzeug, weiterhin in seine Decke gehüllt. Er konnte die Leiche nirgends anders unterbringen, außer auf dem Rücksitz - und da saß Hamish.
    Als er wendete, um nach Dudlington zurückzufahren, fragte er sich, ob der Mann, der ihn so lange gejagt hatte, ihn beobachtete und was ihm jetzt wohl durch den Kopf ging.
    Meredith Channing und Grace Letteridge saßen in dem Büro, das Hensley für polizeiliche Angelegenheiten benutzt hatte, und erwarteten ihn dort.
    Ihre Gesichter waren von Sorge und Erschöpfung gezeichnet, und als er über die Schwelle trat, glaubte er, sie hätten einander längst alles gesagt, was es zu sagen gab, und es sei schon eine ganze Weile her, seit sich Stille über den Raum herabgesenkt hatte.
    Mrs. Channing sprang bei seinem Anblick auf. Ihr Blick glitt über ihn und nahm das nasse Blut auf seinem Mantel und auf seinen Händen wahr.
    »Was ist passiert?« Ihre Stimme war angespannt. »Sind Sie verletzt?«
    »Sie ist im Wagen. Mrs. Ellison. Es ist ein - Unglück passiert - auf der Landstraße. Sie ist tot. Ich muss sie nach Hause bringen.«
    »Ich komme mit«, sagte Mrs. Channing, als hätte sie in seine Antwort mehr hineingelesen, als er beabsichtigt hatte.

    Grace Letteridge blieb stehen und wartete auf eine Gelegenheit, mit ihm zu reden. Sie schien gealtert zu sein, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte - vor einer knappen Stunde.
    »Ich habe Ihnen gesagt, ich brächte Constable Hensley um, wenn ich dahinterkäme, dass er Emma ermordet hat.«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Er ist tot«, sagte sie. »Die Nachricht ist vor einer halben Stunde eingetroffen.« Jetzt verlor sie die Fassung, und ihre Augen füllten sich mit schuldbewussten Tränen.
    Rutledge dachte unwillkürlich: Bedenke wohl, was du dir wünschst .
    Aber jetzt bestand für ihn nicht mehr die geringste Chance, die Wahrheit herauszufinden, welche Rolle Bowles bei der Barstow-Affäre gespielt hatte. Damit würde er sich später auseinandersetzen müssen, wenn er Zeit hatte, darüber nachzudenken. Er machte sich Gedanken über dieses Haus und auch darüber, wie leer es war, und doch hatte sich Hensley so inbrünstig gewünscht, hierher

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