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Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman

Titel: Zeit der Raben - Ein Inspektor-Rutledge-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Todd Ursula Gnade
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sehr, dass sie einen Löffel, den sie gerade abtrocknete, fallen ließ.
    »Meine Güte, haben Sie mich erschreckt, Sir!«, rief sie aus und schlug ihre Hände auf die Brust, als fürchtete sie, er würde über sie herfallen.
    Ihm wurde klar, dass man ihm seine Wut und Frustration ansehen musste. Er rang darum, beides in den Griff zu kriegen, und sagte: »Das tut mir leid, Miss Timmons. Ich suche Mr. Keating.«
    »Ich kann mir nicht denken, wo er sein könnte«, antwortete sie, doch sie war immer noch angespannt. »Aber wir haben geschlossen, Sir. Er könnte kurz weggegangen sein.«
    »Ich habe gerade einen Wagen abfahren sehen. Wissen Sie, um wen es sich bei dem Fahrer gehandelt hat?«
    »Nein, Sir, ich weiß von gar nichts. Ich habe heute nicht in der Bar bedient. Wir hatten nur eine Handvoll Gäste und Mr. Keating hat gesagt, um die würde er sich selbst kümmern.«

    »Verdammt noch mal!«
    Sie zuckte wieder zusammen, und er entschuldigte sich.
    »Sagen Sie Keating, dass ich ihn sprechen will. Sowie er zurückkommt, soll er sich in Hensleys Haus einfinden.«
    »Er - er reagiert ziemlich ungehalten auf Befehle, Sir.«
    »In dem Fall können Sie ihm ausrichten, wenn er nicht zu mir kommt, hole ich ihn und schleife ihn persönlich dorthin.«
    Mit diesen Worten machte Rutledge auf dem Absatz kehrt. Die Küchentür schwang wüst in den Angeln, nachdem er das Wirtshaus verlassen hatte.
    Ein Teil seiner Wut war verraucht, als er das Haus erreichte, in dem er unfreiwillig abgestiegen war.
    Aber er spürte, dass er endlich Antworten auf der Spur war.

16.
    Da er sicher sein konnte, dass Keating es nicht eilig haben würde, bei ihm aufzutauchen, begab sich Rutledge auf der Suche nach der Postmeisterin in die Bäckerei.
    Eine warme Woge von Hefe und Zimt und aufgehendem Brotteig schlug ihm entgegen, als er zur Tür hereinkam. Die Tabletts mit Backwaren, die deutlich sichtbar in einer Vitrine ausgestellt waren, wirkten bereits reichlich geplündert, als hätte die Bäckerei einen regen Umsatz an Scones, Mohnkuchen und frischen Brötchen für das Abendessen gehabt.
    Hinter der Theke stand eine Frau, die Martha Simpson so ähnlich sah, dass er annahm, sie sei die Mutter des Mädchens. Ihr Gesicht war von der Wärme im Laden gerötet, und ihre Schürze war mit Mehl bestäubt. Er nickte ihr zu und begab sich zu dem winzigen Schalter in einer Ecke, der als Postamt diente. Mrs. Arundel, eine schlaksige Frau von etwa dreißig Jahren, saß auf ihrem Hocker und ließ abgezählte Münzen in eine Blechdose gleiten. Sie blickte zu Rutledge auf, als er an ihren Schalter kam, und lächelte ihn an.
    »Inspector Rutledge«, begrüßte sie ihn. »Was kann ich für Sie tun?« Sie hatte die Münzen zur Seite geschoben und griff nach einer großen Mappe mit Briefmarken, als ginge es darum, einen Brief für ihn zu versenden. »Sie haben Ihr kleines Päckchen aus London doch gefunden, nicht wahr? Ich habe Ben Lassiter gebeten, es auf seinem Heimweg in Constable Hensleys Haus abzuliefern.«

    »Ja, vielen Dank. Ich frage mich«, begann er und senkte seine Stimme, da Mrs. Simpson dem Gespräch schamlos lauschte, »ob Sie sich erinnern können, für Emma Mason oder ihre Großmutter Briefe nach London geschickt zu haben. Ich versuche, Emmas Mutter ausfindig zu machen.«
    »Ja, allerdings.« Sie sah ihn forschend an. »Ich erinnere mich an die Briefe, die mit der Post verschickt wurden. Aber sie sind zurückgekommen, weil die Adresse nicht vollständig war.«
    »Wie oft haben Sie Briefe gesehen, die nicht zugestellt werden konnten?«
    »Nicht oft - höchstens einen oder zwei im Jahr, vermute ich. Wissen Sie, es war wirklich sehr traurig. Emma kam mit den Briefen herein, strahlend vor Hoffnung. Und ich habe es persönlich genommen, wenn die Briefe zurückkamen, als sei ich dafür verantwortlich, dass sie falsch adressiert waren.« Sie schüttelte den Kopf. »Es war wirklich sehr traurig.«
    »Wie lange sind Sie schon Postmeisterin hier?«
    »Seit August 1914, als mein Mann nach Northampton gefahren ist, um sich freiwillig zu melden. Er ist nicht nach Hause gekommen, obwohl er mir versprochen hat zurückzukommen, wenn ich ihn gehen lasse.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es war eine Vergeudung«, sagte sie, »eine solche Vergeudung. Wir haben zehn junge Männer aus Dudlington verloren. Und das sind nur unsere Toten. Wir haben sieben weitere, die versuchen, mit schweren Verwundungen zu leben. Und einer hat sich lieber erschossen, als mit zwei fehlenden Beinen

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