Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
FBI-Mann. Vielleicht ist er doch nicht so strohdumm.
Harper fuhr mit dem Maxima in ein Parkhaus an der West 9 th Street, nachdem Reacher sie darauf hingewiesen hatte, dass die Straßen jetzt unübersichtlicher würden, weil sie ab hier nicht mehr im Karree angelegt sind. Sie gingen ein Stück in Richtung Südosten zurück und stießen auf ein Bistro mit Blick auf den Washington Square Park. Die Bedienung benutzte ein taschenbuchgroßes Philosophieheft als Unterlage für ihren Schreibblock. Eine Studentin von der New York University, die sich etwas dazuverdiente. Die Luft war kalt, aber immerhin schien die Sonne vom strahlend blauen Himmel.
»Mir gefällt’s hier«, bemerkte Harper. »Eine tolle Stadt.«
»Ich habe Jodie erzählt, dass ich das Haus verkaufen will«, sagte Reacher.
»Ist ihr das recht?«
Er zuckte die Achseln. »Sie macht sich Sorgen. Ich begreife nicht, warum. Wenn mir dadurch wohler zumute ist, warum macht sie sich dann Sorgen?«
»Weil Sie dadurch ungebunden sind.«
»Aber deswegen ändert sich doch nichts.«
»Wieso tun Sie’s dann?«
»Das hat sie auch gesagt.«
Harper nickte. »Na klar. Man macht doch so etwas aus einem ganz bestimmten Grund, nicht? Folglich überlegt sie sich, was der Grund dafür sein könnte.«
»Der Grund ist, dass ich kein Haus besitzen will.«
»Aber Gründe sind meist vielschichtig. Und das ist nur die oberste Schicht. Also fragt man sich, wieso will er kein Haus besitzen?«
»Weil ich mir das ganze Drumherum nicht antun will. Das weiß sie. Ich hab es ihr erklärt.«
»Das bürokratische Drumherum?«
Er nickte. »Es geht mir fürchterlich auf die Nerven.«
»Ja, sicher. Das kann einem gewaltig auf den Geist gehen. Aber sie denkt vielleicht, das bürokratische Drumherum ist nur ein Vorwand für etwas anderes.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel für ein ungebundenes Dasein.«
»Sie drehen sich im Kreis.«
»Ich erkläre Ihnen nur, was sie sich denkt.«
Die Philosphiestudentin brachte ihnen Kaffee und Plundergebäck. Ließ die mit feinsäuberlicher, geübter Handschrift ausgestellte Rechnung auf dem Tisch liegen. Harper nahm sie.
»Ich kümmere mich darum«, sagte sie.
»Okay«, erwiderte Reacher.
»Sie müssen Sie überzeugen«, erklärte Harper. »Damit sie Ihnen glaubt, dass Sie in der Gegend bleiben, auch wenn Sie das Haus verkaufen.«
»Ich hab ihr gesagt, dass ich auch das Auto loswerden will.«
Sie nickte. »Das könnte ganz nützlich sein. Deutet jedenfalls darauf hin, dass Sie nicht abhauen wollen.«
Er zögerte einen Moment.
»Ich hab ihr erklärt, dass ich möglicherweise ein bisschen auf Reisen gehe.«
Sie starrte ihn an. »Herrgott noch mal, Reacher, das ist nicht gerade eine Liebesbeteuerung, oder?«
»Sie verreist doch auch. Sie ist dieses Jahr schon zweimal in London gewesen. Ich hab doch auch kein großes Theater darum gemacht.«
»Wie weit und wie oft wollen Sie denn verreisen?«
Wieder zuckte er die Achseln. »Keine Ahnung. Ein bisschen. Ich komme gern in der Welt rum. Wirklich. Ich hab’s Ihnen doch schon gesagt.«
Harper schwieg einen Moment.
»Wissen Sie was?«, meinte sie. »Bevor Sie sie davon überzeugen, dass Sie vorhaben, bei ihr zu bleiben, sollten Sie vielleicht erst mal selbst davon überzeugt sein.«
»Ich bin davon überzeugt.«
»Aha? Oder denken Sie sich vielleicht, Sie können kommen und gehen, wie es Ihnen passt?«
»Ein bisschen vielleicht, nehme ich an.«
»Sie werden sich auseinander leben.«
»Das hat sie auch gesagt.«
Harper nickte. »Na ja, das wundert mich nicht.«
Er schwieg. Trank nur seinen Kaffee und aß sein Gebäck.
»Wird höchste Zeit, dass Sie sich darüber klar werden«, sagte Harper. »Entweder auf Achse oder am häuslichen Herd, aber beides zusammen geht nicht.«
Die Mittagspause wird die erste große Probe aufs Exempel. Davon gehst du vorläufig aus. Zunächst hast du dich gefragt, was geschieht, wenn er zur Toilette muss, aber er ist einfach ins Haus gegangen und hat ihre benutzt. Er stieg nach etwa neunzig Minuten aus, als ihm der Morgenkaffee auf die Blase drückte, ging dann den Fußweg entlang und
klingelte an der Tür. Du hast den Feldstecher scharf eingestellt und ihn ziemlich gut erkennen können. Sie hast du nicht gesehen. Sie blieb im Haus. Aber du hast seine Haltung gesehen, leicht verlegen. Er hat kein Wort gesagt. Stand nur vor der Tür. Folglich war das von vornherein so vereinbart. Psychologisch gesehen ein ziemlich starkes Stück gegenüber Scimeca,
Weitere Kostenlose Bücher