Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Army?«
Blake schüttelte den Kopf. »Dann wissen Sie nicht, wie es dort zugeht«, erwiderte Reacher. »Die meisten Leute bei der Army würden mit allem verkehren, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt.«
»Dann glauben Sie also nicht, dass sie Ihnen einen Korb gegeben hätten?«
Reacher schaute Blake unverwandt in die Augen. »Nein, ich glaube nicht, dass ich mir darüber hätte Gedanken machen müssen.«
Danach herrschte eine Zeit lang Schweigen.
»Finden Sie es gut, dass Frauen Militärdienst leisten?«, fragte Deerfield schließlich.
Reacher wandte ihm den Blick zu. »Was?«
»Beantworten Sie die Frage, Reacher. Finden Sie es gut, dass Frauen beim Militär dienen?«
»Was soll ich daran nicht gut finden?«
»Glauben Sie, dass sie gute Soldaten abgeben?«
»Blöde Frage«, sagte Reacher. »Sie wissen doch, dass es so ist.«
»Weiß ich das?«
»Sie waren in Vietnam, oder nicht?«
»War ich das?«
»Klar waren Sie dort«, sagte Reacher. »Detective bei der Mordkommission in Arizona, im Jahr 1976? Kurz danach beim FBI gelandet? So was haben nicht allzu viele Drückeberger geschafft, nicht dort, nicht damals. Sie haben also Ihre Wehrpflicht abgerissen, vermutlich 1970 oder 71. Pilot waren Sie mit Ihrer Sehschwäche garantiert nicht. Als Brillenträger sind Sie vermutlich gleich bei der Infanterie gelandet. Wenn das der Fall war, sind Sie ein Jahr lang quer durch den Dschungel gescheucht worden, und gut ein Drittel der Leute, die Ihnen zugesetzt haben, waren Frauen. Gute Scharfschützen, stimmt’s? Sehr tüchtig, soweit ich gehört habe.«
Deerfield nickte bedächtig. »Sie haben also nichts gegen Frauen, die bei der kämpfenden Truppe dienen?«
Reacher zuckte die Achseln. »Wenn man Soldaten braucht, sind Frauen genauso gut dafür geeignet wie jeder andere. Nehmen wir mal die Ostfront, im Zweiten Weltkrieg. Bei den Russen haben sich Frauen gut bewährt. Sind Sie mal in Israel gewesen? Dort stehen Frauen ebenfalls an vorderster Front, und es gibt nicht allzu viele US-Einheiten, die ich gegen israelische Stellungen einsetzen möchte, zumindest nicht im Ernstfall.«
»Dann haben Sie also diesbezüglich keinerlei Vorbehalte?«
»Persönlich, nein.«
»Haben Sie ansonsten irgendwelche Vorbehalte?«
»Aus militärischer Sicht gibt es ein paar Probleme, glaube ich«, sagte Reacher. »Die Erfahrungen, die man in Israel gemacht hat, zeigen, dass Infanteristen bei einem Vorstoß
weitaus eher stehen bleiben, um einem verwundeten Kameraden zu helfen, wenn es sich dabei um eine Frau handelt. So was kann den ganzen Angriff zum Erliegen bringen. Man muss es ihnen bei der Ausbildung abgewöhnen.«
»Finden Sie nicht, dass Menschen einander helfen sollten?« , fragte Lamarr.
»Doch«, entgegnete Reacher. »Aber nicht, wenn es ein Angriffsziel gibt, das man einnehmen muss.«
»Wenn Sie und ich also gemeinsam vorrücken müssten, würden Sie mich einfach liegen lassen, wenn ich verwundet werden würde?«
Reacher lächelte. »Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«
»Wie haben Sie Amy Callan kennen gelernt?«, fragte Deerfield.
»Das wissen Sie doch bestimmt schon«, erwiderte Reacher.
»Erzählen Sie’s mir trotzdem. Fürs Protokoll.«
»Führen wir denn ein Protokoll?«
»Selbstverständlich.«
»Ohne dass man mir meine Rechte vorgelesen hat?«
»Aus dem Protokoll wird hervorgehen, dass man Ihnen durchaus Ihre Rechte gewährt hat, wenn ich das sage.«
Reacher schwieg.
»Erzählen Sie mir von Amy Callan«, sagte Deerfield noch einmal.
»Sie kam zu mir, weil sie in ihrer Einheit Schwierigkeiten hatte«, sagte Reacher.
»Was für Schwierigkeiten?«
»Sexuelle Belästigung.«
»Hatten Sie dafür Verständnis?«
»Ja, hatte ich.«
»Warum?«
»Weil ich wegen meines Geschlechts nie belästigt worden
bin. Ich habe einfach nicht eingesehen, wieso es bei ihr anders sein sollte.«
»Und was haben Sie gemacht?«
»Ich habe den Offizier festgenommen, den sie beschuldigte.«
»Und was haben Sie danach getan?«
»Nichts. Ich war Polizist, kein Ankläger. Ich hatte keinen Einfluss mehr darauf.«
»Und was ist daraus geworden?«
»Der Offizier wurde freigesprochen. Amy Callan hat den Dienst quittiert.«
»Aber der Offizier war trotzdem nicht mehr tragbar.«
Reacher nickte. »Ja, so war’s.«
»Wie war Ihnen dabei zumute?«
Reacher zuckte die Achseln. »Ich war hin- und hergerissen, glaube ich. Soweit ich wusste, war der Typ ganz okay. Aber letzten Endes habe ich Callan geglaubt, nicht ihm.
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