Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
nach rechts. Der Korridor war schmal und sauber, aber nicht steril. Hier wurde gearbeitet. Es roch leicht nach Schweiß, altem Kaffee und Bürochemikalien. An den Wänden hingen Schwarze Bretter, und hier und da standen stapelweise Kartons mit Schreibmaschinenpapier in den Ecken. In der linken Wand befand sich eine Reihe von Türen.
»Hier«, sagte Harper.
Sie blieb mit ihm vor einer Tür stehen, auf der eine Zahl stand, und klopfte. Dann drehte sie den Griff und ließ ihn ein.
»Ich warte hier draußen«, sagte sie.
Er ging hinein und sah Nelson Blake an einem überquellenden Schreibtisch in einem kleinen, unordentlichen Büro sitzen. An den Wänden hingen allerlei Landkarten und Fotos. Überall lag haufenweise Papier. Kein Besucherstuhl. Blake zog eine finstere Miene. Er blickte auf einen leise gedrehten Fernseher, der auf einen Nachrichtensender eingestellt war. Ein Mann in Hemdsärmeln las irgendeinem Ausschuss etwas vor. Direktor des FBI stand auf dem eingeblendeten Untertitel.
»Etatberatungen«, murmelte Blake. »Vorsingen für unsere Vesper.«
Reacher schwieg. Blake wandte den Blick nicht vom Fernseher.
»In zehn Minuten ist Fallbesprechung«, sagte er. »Also
lassen Sie sich die Regeln erklären. Betrachten Sie sich teils als unser Gast, teils als Häftling, okay?«
Reacher nickte. »Harper hat mir das schon erklärt.«
»Gut. Sie begleitet Sie auf Schritt und Tritt. Bei allem, was Sie machen, wo immer Sie auch hingehen, werden Sie von ihr beaufsichtigt. Aber machen Sie sich keine falschen Vorstellungen. Sie sind nach wie vor Lamarr unterstellt, nur dass sie hier bleibt, weil sie nicht fliegen will. Und Sie müssen ein bisschen in der Weltgeschichte herumreisen. Weil wir Sie aber auch dabei im Auge behalten wollen, kommt Harper mit. Allein sind Sie nur, wenn Sie sich in Ihrem Zimmer befinden. Sie haben die Aufgaben zu erfüllen, die Lamarr Ihnen stellt. Tragen Sie ständig Ihren Ausweis.«
»Okay.«
»Und dass Sie mir nicht auf dumme Gedanken kommen, was Harper angeht. Täuschen Sie sich nicht in ihr. Sie sieht hübsch aus, aber wenn Sie sich mit ihr anlegen, wird sie zur Furie, okay?«
»Okay.«
»Sonst noch was?«
»Wird mein Telefon überwacht?«
»Selbstverständlich.« Blake blätterte in irgendwelchen Papieren herum. Fuhr mit dickem Finger über einen Ausdruck. »Sie haben eben Ihre Freundin angerufen. Büroanschluss, Privatanschluss, Handy. Niemand hat sich gemeldet.«
»Wo ist sie?«
Blake zuckte die Achseln. »Woher soll ich das wissen.«
Dann wühlte er in einem Haufen Unterlagen herum und brachte einen großen, braunen Umschlag zum Vorschein. Er hielt ihn Reacher hin.
»Mit besten Empfehlungen von Cozo«, sagte er.
Reacher nahm den Umschlag. Er fühlte sich steif und schwer an, und er enthielt Fotos. Insgesamt acht. Es waren Farbabzüge, Hochglanzbilder, zwanzig mal fünfundzwanzig
Zentimeter. Tatortaufnahmen. Sie sahen aus wie das Zeug, das in billigen Pornoheften abgedruckt wird, nur dass die Frauen darauf alle tot waren. Die Leichen waren nackt, und sie wurden zur Schau gestellt, als posierten sie für ein Ausklappposter. Sie waren verstümmelt. Bestimmte Körperteile fehlten. Allerlei Gegenstände waren hier und dort in sie hineingesteckt.
»Petrosians Handschrift«, stellte Blake fest. »Die Frauen, Schwestern und Töchter von Leuten, auf die er sauer war.«
»Wieso läuft er dann noch frei rum?«
Einen Moment lang herrschte Stille.
»Es gibt Hinweise, und es gibt Beweise , stimmt’s«, sagte Blake.
Reacher nickte. »Und wo ist Jodie?«
»Woher soll ich das wissen«, erwiderte Blake noch mal. »Solange Sie mitspielen, haben wir kein Interesse an ihr. Wir beschatten sie nicht. Petrosian wird sie selber finden, wenn es dazu kommen sollte. Wir werden sie ihm nicht übergeben. Das wäre ja wider Recht und Gesetz, oder?«
»Das gilt auch, wenn ich Ihnen das Genick breche.«
Blake nickte. »Lassen Sie die Drohungen, okay?«
»Ich weiß, dass die ganze Sache Ihre Idee war.«
Blake schüttelte den Kopf. »Ihretwegen mache ich mir keine Sorgen, Reacher. Im Grunde genommen halten Sie sich für einen guten Menschen. Sie werden mir helfen und hinterher keinen Gedanken mehr auf mich verschwenden.«
Reacher lächelte. »Ich dachte, Ihr Profiler seid angeblich so große Menschenkenner.«
Drei Wochen, das ist eine verzwickte Zeitspanne, und genau deshalb hast du dich dafür entschieden. Weil sie offensichtlich nichts zu bedeuten hat. Sie werden schier wahnsinnig werden,
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