Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
eine Viertelstunde unter die Dusche und ließ das Wasser so heiß laufen, wie er es aushalten konnte, bis er halbwegs aufgewärmt war. Danach wusch er sich mit dem vom FBI zur Verfügung gestellten Shampoo die Haare. Nahm seine Kleidung aus dem Dampf und zog sich neben dem Bett an. Knöpfte sein Hemd zu und hängte sich den Ausweis um den Hals. Da er nicht damit rechnete, dass es hier einen Zimmerservice gab, setzte er sich hin und wartete.
Er wartete geschlagene fünfundvierzig Minuten. Dann klopfte es höflich an der Tür, worauf ein Schlüssel umgedreht wurde und die Tür aufging. Lisa Harper stand im hellen Licht des Korridors und lächelte schelmisch. Er hatte keine Ahnung, warum.
»Guten Morgen«, sagte sie.
Er hob die Hand zum Gruß. Sagte nichts. Sie trug einen anderen Anzug, diesmal einen anthrazitfarbenen, dazu ein weißes Hemd und einen dunkelroten Schlips. Die reinste Parodie auf die inoffizielle FBI-Uniform, aber wieder abgenäht und enger geschnitten, damit Jackett und Hose passten. Ihre langen Haare fielen in einer leichten Welle über die Schultern und schimmerten wie Gold.
»Wir müssen los«, sagte sie. »Frühstücksbesprechung.«
Er nahm im Vorbeigehen seinen Mantel aus dem Kleiderschrank. Sie fuhren gemeinsam hinunter ins Foyer und blieben kurz an der Tür stehen. Draußen goss es in Strömen. Er schlug den Kragen hoch und ging hinter ihr hinaus in das graue Morgenlicht und den kalten Regen. Sie rannte den Weg entlang, und er folgte ihr auf dem Fuß.
Lamarr, Blake und Poulton erwarteten sie in der Cafeteria. Sie saßen auf drei von insgesamt fünf Stühlen, die um einen für vier Personen bestimmten Tisch am Fenster standen,
und musterten ihn aufmerksam, als er auf sie zuging. In der Mitte des Tischs stand eine weiße Kaffeekanne, umgeben von umgedrehten Tassen. Dazu eine Schale mit Zuckerpackungen und kleinen Sahnebechern. Ein Haufen Löffel. Servietten. Ein Korb voller Donuts. Ein Stapel Morgenzeitungen. Harper nahm sich einen Stuhl, und er quetschte sich neben sie. Lamarr betrachtete ihn mit sonderbarem Blick. Poulton sah weg. Blake wirkte belustigt, leicht spöttisch.
»Bereit zum Einsatz?«, fragte er.
Reacher nickte. »Klar, aber erst brauche ich ein bisschen Kaffee.«
Poulton drehte die Tassen um, und Harper goss ein.
»Wir haben gestern Abend in Fort Dix angerufen«, begann Blake. »Haben mit Colonel Trent gesprochen. Er sagte, er nimmt sich heute den ganzen Tag für Sie Zeit.«
»Das sollte reichen.«
»Er scheint Sie zu mögen.«
»Nein, er schuldet mir was. Das ist ein Unterschied.«
Lamarr nickte. »Gut. Das müssen Sie ausnutzen. Sie wissen ja, worauf Sie achten müssen, oder? Konzentrieren Sie sich auf die Daten. Stellen Sie fest, wer in der fraglichen Zeit eine Woche frei hatte. Meiner Meinung nach begeht er die Tat gegen Ende der Woche. Vielleicht nicht unbedingt am letzten Tag, da er hinterher zum Stützpunkt zurückkehren und sich beruhigen muss.«
Reacher lächelte. »Großartig kombiniert, Lamarr. Werden Sie für so was bezahlt?«
Sie erwiderte sein Lächeln, als wüsste sie etwas, von dem er keine Ahnung hatte.
»Was ist?«, fragte er.
»Halten Sie einfach Ihr Mundwerk ein bisschen im Zaum«, sagte Blake. »Haben Sie etwas gegen ihren Vorschlag einzuwenden?«
Reacher zuckte die Achseln. »Wenn wir nur anhand der
Daten vorgehen, stoßen wir möglicherweise auf tausend Namen.«
»Dann müssen Sie eben aussieben. Lassen Sie von Trent die Frauen gegenchecken. Stellen Sie fest, wer mit ihnen gedient hat.«
»Beziehungsweise mit einem der Männer, die ihretwegen belangt wurden«, warf Poulton ein.
Reacher lächelte erneut. »So viel Hirnschmalz an einem Tisch ist schon beeindruckend. Da könnte einem ja angst und bange werden.«
»Fällt Ihnen etwas Besseres ein, Sie Schlauberger?«, fragte Blake.
»Ich weiß schon, wie ich vorgehen werde.«
»Nun denn, aber denken Sie immer daran, was auf dem Spiel steht, okay? Eine Menge Frauen sind in Gefahr, unter anderem auch Ihre Freundin.«
»Ich regle das schon.«
»Dann legen Sie los.«
Harper stand sofort auf. Reacher stemmte sich aus seinem Stuhl und folgte ihr. Die drei anderen starrten ihm nach, betrachteten ihn mit sonderbarem Blick. Harper wartete an der Tür auf ihn.
»Warum schauen mich alle so an?«, wollte er wissen.
»Wir haben uns das Video angesehen«, sagte sie. »Sie wissen schon, das von der Überwachungskamera.«
»Und?«
Sie gab keine Antwort. Er überlegte, was er in dem Zimmer getrieben
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