Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
einer Haushaltswarenhandlung.«
Blake seufzte, als wäre die ganze Welt dem Wahnsinn anheim gefallen. Dann drehte er sich um, starrte in den Karton. Ging einmal rund herum. Auf der einen Seite war die Pappe beschädigt. Ein rechteckiges Stück von der glatten Oberfläche war abgerissen, so dass im Scheinwerferlicht die grobe, gewellte Stützschicht zum Vorschein kam.
»Der Frachtbrief«, sagte Blake.
»Vielleicht war hier diese kleine Plastikhülle angeklebt«,
meinte Reacher. »Sie wissen schon, mit dem Lieferschein und allen anderen Papieren.«
»Und wo ist sie? Wer hat sie abgerissen? Jemand von der Spedition bestimmt nicht. Die reißen so was nicht ab.«
»Der Mörder hat sie abgerissen«, erklärte Reacher. »Hinterher. Damit wir keine Anhaltspunkte haben.«
Er stockte. Wir hatte er gesagt. Nicht ihr . Damit wir keine Anhaltspunkte haben. Nicht damit ihr keine Anhaltspunkte habt . Blake, dem es ebenfalls aufgefallen war, blickte auf.
»Aber wie soll diese Lieferung denn vonstatten gehen?«, fragte er. »Wie ist das möglich? Sagen wir mal, Sie wären Alison Lamarr. Sie sind zu Hause, und jemand von UPS oder FedEx kommt vorbei und bringt Ihnen eine Waschmaschine, die Sie nicht bestellt haben. Die würden Sie doch nicht annehmen, oder?«
»Vielleicht wurde sie hergebracht, als sie nicht zu Hause war«, gab Reacher zu überlegen. »Vielleicht war sie bei ihrem Vater im Krankenhaus. Vielleicht hat sie der Fahrer einfach in die Garage gekarrt und dort abgestellt.«
»Muss er sich den Empfang nicht bestätigen lassen?«
Reacher zuckte einmal mehr die Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich habe mir noch nie eine Waschmaschine liefern lassen. Vermutlich muss man irgendwann irgendwas unterschreiben. Vielleicht hat der Typ, der den Auftrag erteilt hat, ausdrücklich auf eine Empfangsbestätigung verzichtet.«
»Aber sie muss den Karton doch gesehen haben, als sie in die Garage fuhr. Sobald sie ihr Auto abgestellt hat.«
Reacher nickte. »Ja, müsste sie eigentlich. Groß genug ist er jedenfalls.«
»Und was dann?«
»Sie ruft bei UPS, FedEx oder wo auch immer an. Vielleicht hat sie den Umschlag selber abgerissen und mit ins Haus genommen, damit sie am Telefon alles genau erklären kann.«
»Warum hat sie ihn nicht geöffnet?«
Reacher verzog das Gesicht. »Warum sollte sie ihn aufmachen, wenn Sie der Meinung ist, dass er eigentlich nicht für sie bestimmt ist? Womöglich müsste sie hinterher wieder alles zukleben.«
»Hat sie Ihnen oder Harper gegenüber diesbezüglich etwas erwähnt? Dass sie was geliefert bekam, das sie nicht bestellt hat?«
»Nein. Aber vielleicht war ihr nicht klar, dass da ein Zusammenhang bestehen könnte. Vielleicht hat sie gedacht, es wäre einfach ein Versehen. So was passiert ja immer wieder mal.«
Blake nickte. »Nun ja, wenn die Unterlagen im Haus sind, finden wir sie. Die Kriminaltechniker werden eine Zeit lang dort beschäftigt sein, sobald der Leichenbeschauer fertig ist.«
»Der Leichenbeschauer wird gar nichts finden«, entgegnete Reacher.
Blake warf ihm einen bissigen Blick zu. »Diesmal muss er irgendwas finden.«
»Dann müsst ihr die Sache ganz anders angehen«, sagte Reacher. Er betonte das ihr . »Ihr solltet die ganze Badewanne ausbauen. Schafft sie in ein großes Labor in Seattle. Oder bringt sie nach Quantico.«
»Wie, zum Teufel, sollen wir die ganze Wanne aus dem Haus kriegen?«
»Reißt die Wand ein. Oder das Dach. Setzt einen Kran ein.«
Blake schwieg einen Moment und dachte nach. »Das ließe sich vermutlich machen. Natürlich brauchen wir dazu eine Genehmigung. Aber von Rechts wegen dürfte dieses Haus jetzt Julia gehören, richtig? Sie ist die nächste Verwandte, nehme ich an.«
Reacher nickte. »Rufen Sie sie an. Fragen Sie sie. Besorgen Sie sich die Genehmigung. Außerdem soll sie die anderen
Tatortbefunde überprüfen. Möglicherweise war diese Lieferung eine einmalige Sache, aber wenn das nicht der Fall ist, sieht alles ganz anders aus.«
»Inwiefern?«
»Weil wir es dann nicht mehr mit jemandem zu tun haben, der eine Fuhre voller Farbe zum Tatort schaffen muss. Es könnte sich um sonst jemand handeln, jemanden, der mit dem Flugzeug anreist, zuschlägt und in null Komma nichts wieder weg ist.«
Nachdem sich Blake in den Suburban zurückgezogen hatte, um seine Anrufe zu erledigen, kam Harper zu Reacher und führte ihn etwa fünfzig Meter die Straße entlang zu der Stelle, wo die Agenten aus Spokane Reifenabdrücke auf dem Bankett entdeckt
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