Zeit der Rache - Zeit der Liebe
erkannte Saskia sie sofort.
„Marla. Ich habe Sie gar nicht kommen hören.“
Die Frau betrat den Steg und kam auf sie zu. Dabei klapperten die Absätze ihrer schicken pinkfarbenen Cowboystiefel auf den Brettern. Sie blieb neben ihr stehen und blickte sich um. „Ich liebe es“, bemerkte sie lächelnd. „Für mich ist es der schönste Platz auf Erden.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind.“
„Das war eigentlich auch nicht geplant. Alex hatte mir einen Platz in einer Klinik in der Nähe besorgt, aber ich habe mich geweigert, dorthin zu gehen. Ich hasse die Leute, die man immer an solchen Orten trifft. Verzweifelte Filmstars, gescheiterte Musiker – die typischen Patienten in Schönheitskliniken. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin alles andere als perfekt und trinke auch gern mal eine Margarita …“ Sie lächelte verschwörerisch und ein wenig traurig. „Na ja, manchmal schlage ich vielleicht etwas über die Stränge. Aber wenn mich noch einmal jemand zwingt, an einer Gruppentherapie teilzunehmen, flippe ich aus.“
Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit, wie es ihr schien, musste Saskia lachen. Dann blickte sie sich verlegen zum Haus um. Ob irgendjemand sie von dort aus sehen konnte?
„Eigentlich darf ich gar nicht mit Ihnen sprechen“, gestand sie.
„Ich weiß. Das hat Alex mir auch gesagt.“ Marla zog die perfekt manikürte Hand aus der Tasche und legte sie auf ihre. Ihre blauen Augen waren so kristallklar wie der See. „Allerdings habe ich es satt, mir Vorschriften machen zu lassen. Sie nicht?“
O ja, dachte Saskia. Aber ich brauche dieses Porträt.
„Alex vertraut mir nicht“, erklärte sie. „Er glaubt, ich hätte vor, über Sie zu schreiben.“
Marla lachte schallend, wobei sie die Hand wieder in die Tasche schob. „Mein Bruder ist ein typischer Südländer, obwohl unsere Mutter eine waschechte Australierin war. Er schlägt nach seinem Vater und traut niemandem, schon gar nicht den Leuten von der Presse. Ich muss zugeben, dass ich ihm in den letzten Jahren auch allen Grund dazu gegeben habe.“
„Sie haben also keine Angst davor, dass ich mich auf Sie stürzen könnte?“
Daraufhin schüttelte Marla den Kopf. „Wenn Sie mich wirklich interviewen wollten, hätten Sie sicher längst einen Weg gefunden. Ich gehe das Risiko ein. Außerdem möchte ich mich bei Ihnen bedanken.“
„Warum? Weil ich Ihnen dabei geholfen habe, ungesehen durch den Flughafen zu gelangen?“
„Das auch. Sie haben ja keine Ahnung, wie es ist, wenn man keinen Schritt machen kann, ohne von Kameras verfolgt zu werden.“
Saskia schnitt ein Gesicht, als sie sich an den Auflauf im Terminal erinnerte. „Doch, ich glaube schon. Für mich wäre es auch ein Albtraum.“
„Eigentlich wollte ich Ihnen dafür danken, dass Sie so einen positiven Einfluss auf Alex ausüben. Wider Erwarten hat er ziemlich gelassen auf meine Weigerung, in die Klinik zu gehen, reagiert. Es scheint so, als wäre er ausnahmsweise mal nicht auf mich fixiert, und das habe ich Ihnen zu verdanken.“
Saskia betrachtete die Bäume und Berge, die sich im See spiegelten, während sie über Marlas Worte nachdachte. Als Alex am Vortag zu ihr gekommen war, hatte er ziemlich zielstrebig gewirkt.
„Wissen Sie, dass er den Reportern erzählt hat, wir wären verlobt?“
„Und ob. Es steht sogar hier in den Zeitungen. Haben Sie es noch nicht gesehen? Ich kann Ihnen welche herschicken lassen.“
„Nein danke, lieber nicht.“
Nebeneinander standen sie am Ende des schmalen Stegs und beobachteten schweigend, wie im Osten die Sonne über den Bergen aufging. Schließlich seufzte Marla. „Ich kehre lieber zurück, bevor Jake aus dem Fitnessraum kommt und feststellt, dass ich weg bin. Er würde sofort eine Suchaktion starten. Der Mann treibt mich noch in den Wahnsinn. Sehen wir uns morgen noch, bevor Sie nach New York fliegen?“
Saskia brauchte einen Moment, um die Bedeutung ihrer Frage zu begreifen.
„Ach, Sie meinen die Wohltätigkeitsveranstaltung? Alex hatte vor der Abreise etwas in der Art erwähnt.“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Aber ich bin nicht über die Einzelheiten informiert.“
„Er nimmt Sie mit, um sich mit Ihnen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Offenbar nimmt er es mit seinen Pflichten als Bruder sehr genau, denn er will damit die Meute von mir fernhalten. Wahrscheinlich habe ich es herausgefordert. Es ist sicher nicht leicht, eine Schwester mittleren Alters zu haben, die keinen Job mehr findet und kein
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