Zeit der Rache - Zeit der Liebe
wer welches Porträt bekommt? Was meinst du, wer die Personen vorgeschlagen hat?“
Nun lachte Saskia. „Das ist nicht dein Ernst. Der Vorstand hätte es wohl kaum zugelassen.“
„Oh, so schwer war es gar nicht“, prahlte ihre Kollegin, während sie ihre langen roten Fingernägel betrachtete. „Ein Wort hier, ein Hinweis da. Schon haben sie sich zusammengesetzt, um alles zu besprechen, und … voilà! Sie waren sich alle einig. Nur du willst alles vermasseln. Dass du den Typ magst, geschweige denn heiratest, war nicht vorgesehen.“ Wieder lächelte sie – und Saskia musste an ein Raubtier denken, das zum tödlichen Sprung ansetzt.
„Aber jetzt kommt es mir auch gelegen. Die Vorstandsmitglieder sind der Meinung, dass du keine besonders aussichtsreiche Kandidatin bist, weil du ja sowieso bald Kinder bekommst. Falls du nicht bereits schwanger bist …“ Sie verstummte, um ihren Worten die gewünschte Wirkung zu verleihen, und betrachtete dann vorwurfsvoll Saskias Bauch. „Wächst da vielleicht schon ein uneheliches Kind von Alexander Koutoufides heran?“
Saskia hoffte, sie würde stark bleiben. Ansonsten lief sie Gefahr, Carmen eine Ohrfeige zu verpassen. „Wohl kaum, oder? Schließlich sind wir noch nicht einmal eine Woche zusammen …“
„Aber lange genug, um euch verlobt zu haben. Sag mal, wie ist er so im Bett? Drago ist sehr eifrig dabei, aber er ist kein besonders guter Liebhaber. Das kann man von Alex sicher nicht behaupten.“
„Wer sagt denn, dass ich mit ihm schlafe?“
„Komm schon, ihr wollt bald heiraten. Kein Mann in Alex’ Position würde sich auf so etwas einlassen, ohne die Ware vorher zu begutachten.“
„Und wenn ich dir sage, dass es keine Verlobung gibt? Und wir auch nicht heiraten werden?“
„Dann würde ich denken, dass du dich an einen Strohhalm klammerst. Und dass du wirklich zu bedauern bist, weil du bald ohne Job und ohne Mann dastehst.“ Carmen seufzte theatralisch. „Dann genieß es, solange du kannst.“
Saskia atmete tief durch, um die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. „Du bist offenbar sehr scharf auf den Job, wenn du dafür lügst und betrügst.“
„O ja“, bestätigte Carmen fröhlich. „Und ich werde ihn auch bekommen.“
Jetzt reichte es Saskia. Sie raffte ihr Kleid zusammen und ging zielstrebig zur Tür, sodass Carmen gezwungen war, ihr auszuweichen. „Verlass dich nur nicht darauf.“
„Du hast die Reden verpasst.“
Alex legte ihr die Stola um die Schultern, und Saskia bedankte sich leise. Falls er glaubte, sie wäre noch wütend auf ihn, ließ er es sich nicht anmerken, und sie war froh, dass er nicht weiter darauf einging. Die Begegnung mit Carmen hatte sie zu sehr aufgewühlt.
Drago, der auf der anderen Seite des Foyers stand, begegnete ihrem Blick und winkte ihr zu, als wollte er mit ihr reden. Doch Alex führte sie zur Tür. „Komm.“
„Drago …“ Sie deutete nach rechts, für den Fall, dass er den anderen Mann nicht bemerkt hatte.
„Ich habe ihn gesehen.“ Er führte sie am Portier vorbei nach draußen, wo einige Limousinen warteten. Der Portier öffnete ihnen die Wagentür und wartete, bis Saskia ihr Kleid zusammengerafft hatte und einstieg.
„Warum habe ich den Eindruck, dass du Drago nicht besonders magst?“
„Wer behauptet das?“ Mit geschmeidigen Bewegungen nahm Alex neben ihr Platz.
Der Chauffeur fuhr los.
„Und trotzdem habt ihr beide so viel gemeinsam. Ihr seid beide erfolgreiche Geschäftsmänner, die die Öffentlichkeit meiden. Und ihr engagiert euch beide für die Baxter Foundation.“
An seiner Wange zuckte ein Muskel. „Ist es dir noch gar nicht aufgefallen? Manche Menschen leben zurückgezogen, weil sie von Natur aus menschenscheu sind. Andere meiden die Öffentlichkeit, weil sie etwas zu verbergen haben.“
„Willst du damit andeuten, dass Drago keine reine Weste hat?“
Alex warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Ich habe mit ihm Geschäfte gemacht und würde es nie wieder tun.“
„Soll das etwa heißen, dass er ein Betrüger ist?“
„Sei froh, dass du nicht über ihn schreiben musst.“
Dann lehnte Alex sich zurück. In der Tat war er sehr erleichtert, dass man Drago Maiolo nicht Saskia zugeteilt hatte. Allein bei der Vorstellung, dass diese fleischigen, beringten und stark von Nikotin gefärbten Finger sich ihr in irgendeiner Weise näherten, wurde ihm übel. Sie war immer noch Jungfrau. Und damit viel zu gut für Kerle wie Drago.
Verdammt, sie war zu gut für jeden
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