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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Hortensien. Mitten in der Nacht ertappte Hughes seine Frau dabei, wie sie im Licht ihrer kleinen Leselampe zum hundertsten Mal die Speisefolge durchging.
    Seine Rolle bestand einzig darin, Ruhe zu bewahren und sich für das Ereignis zu wappnen. Doch in der Nacht vor der Party brauchte er ein bisschen Ablenkung von den Vorbereitungen.
    Nick war im Speisezimmer und putzte noch einmal das Silber für die kleine Abendgesellschaft. Eben hatte sie Daisy wegen der Unordnung in deren Zimmer ausgeschimpft, und Hughes ergriff die Gelegenheit, Küche und Bar zu plündern, um die Beute zum Bootshaus zu schaffen und sich mit Whiskey Sours zu betrinken. Im Bootshaus stieß er auf Helena, die dort ebenfalls Zuflucht gesucht hatte.
    »Was hast du denn da?«, flüsterte sie und deutete auf die Flasche Whiskey und die Zuckerdose, die er im Arm hielt.
    Hughes lachte. »Du brauchst nicht zu flüstern, Helena. Hier unten hört sie uns nicht.«
    »Ich liebe Nick, aber dieses Herumwuseln ertrage ich nicht«, sagte Helena. »Also, was hast du da?«
    »Whiskey Sours.«
    »Ich liebe Whiskey Sours.« Es klang fast sehnsüchtig.
    »Ich auch.« Hughes holte zwei Zitronen aus der Gesäßtasche. Dann sah er sich um und sagte: »Verdammt, ich habe das Eis vergessen.«
    »Und den Shaker.« Helena hob die Hände und zog die Augenbrauen hoch. Ein Bild des Jammers.
    »Nein«, sagte Hughes und zwinkerte ihr zu. »Ich habe immer einen hier hinter dem alten Anker – für Notfälle. Aber das Eis ist ein Problem.«
    »Ich könnte da eine Mission übernehmen.« Helena grinste ihn an.
    »Sollen wir es riskieren?«
    »Du wartest hier.« Sie stand auf und schlich sich mit so übertriebenen Bewegungen auf Zehenspitzen davon, dass ihr Kleid um die Beine wirbelte.
    Hughes blies in den Shaker, um den Staub zu entfernen; dann gab er Zucker, Whiskey und Zitronensaft hinein und wartete.
    Endlich kam Helena mit dem kleinen silbernen Kühler zurück, den Nick für das Abendessen eingeplant hatte. Noch kurz zuvor hatte Hughes gesehen, wie sie ihn polierte.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Helena. »Aber es ging nicht anders, der andere war zu groß.«
    Hughes warf ein paar Eiswürfel in den Shaker, schüttelte ihn heftig und goss die Sours in zwei Picknickbecher aus Plastik ab.
    »Madame!« Er reichte Helena einen Becher.
    Helena trank einen Schluck. »Hughes, du vollbringst ja wahre Wunder mit dem Shaker!«
    Eine Zeitlang saßen sie schweigend da, genossen die Ruhe und die säuerlichen Cocktails.
    »Und, Helena?«, sagte Hughes schließlich. »Wie läuft es so?«
    »Was denn?«
    »Weiß nicht. Alles. Nichts.«
    »Alles und nichts«, wiederholte sie. »Ich bin erleichtert, weil mit dem Hausmädchen alles in Ordnung ist. Was Ed betrifft, meine ich. Für sie ist nicht alles in Ordnung, ich weiß das.«
    »Ich habe dich schon verstanden.«
    »Manchmal mache ich mir Sorgen um ihn.« Helena leerte ihren Becher, und Hughes füllte den Shaker auf.
    »Die Pfadfinder tun ihm bestimmt gut.« Er wollte weg von dem Thema. »Da wird er ein bisschen zurechtgestutzt.«
    Helena hob abrupt den Blick. »Ich glaube nicht, dass er zurechtgestutzt werden muss.«
    »Nein, nein.«
    »Er ist vielleicht nicht so wie alle anderen seines Alters, aber was macht das schon? Er ist frei.«
    »Frei wovon?« Lieber Himmel, manchmal war sie wirklich überkandidelt.
    »Frei von … vielleicht von dem, was andere Menschen von ihm erwarten. Avery sagt …« Ihre Stimme erstarb. »Ach, egal.« Sie hielt Hughes den leeren Becher hin. »Wir haben sowieso kein Geld dafür.«
    »Oh.« Hughes drückte eilfertig eine weitere Zitronenhälfte aus.
    »Wir brauchen wirklich mehr Geld, Hughes«, sagte Helena leise. »Könntest du vielleicht bei Nick ein Wort für mich einlegen?«
    »Ich rede mit ihr«, antwortete Hughes und tätschelte ihre Hand. Ihm war eine Idee gekommen. »Jetzt lass dir nachschenken.«
     
    Der nächste Morgen war quälend. Nick jagte die Kinder sehr früh aus dem Bett, und Hughes ging nach unten, um Frühstück zu machen. Er hatte sich vorgenommen, ihr von seiner Idee zu erzählen, doch als sie die Küche betrat, sah er sofort, dass sie nicht in der Stimmung dafür war.
    Er fuhr stattdessen nach Vineyard Haven, um die Musiker abzuholen. Es handelte sich um eine Ragtime-Band, die Dolly empfohlen hatte, die Top Liners oder so ähnlich. Er wartete am Straßenrand und sah zu, wie die Islander anlegte und die Hafenarbeiter zum Fährsteg liefen, um die Rampe hinunterzukurbeln.
    Mehrere Autos

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