Zeit der Raubtiere
verließen die Fähre, dann kamen die Passagiere zu Fuß. Die Musiker inmitten der kleinen Menschenmenge erkannte er sofort: Sie trugen Latzhosen und schleppten ihre Instrumente in verbeulten alten Koffern von Bord. Sie wirkten nicht weniger verkatert als er. Er ging ihnen entgegen.
»Hallo, Jungs!«
Fast unisono blinzelten sie zu ihm hinüber. »Sind Sie Mr. Derringer?«, fragte der mit dem Banjokoffer.
»Jawohl. Der Wagen steht da drüben.«
Sie legten ihre Instrumente in den Kofferraum und stiegen ein – drei hinten, zwei vorn bei ihm. Er ließ den Motor an.
»Mann …« Einer von den Jungs, die hinten saßen, ließ das Wort in einem langen Seufzer ausklingen.
»Heiß, heiß, heiß.« Der Banjospieler klopfte einen kurzen Rhythmus auf sein Knie.
Sie waren alle ziemlich jung. Mitte zwanzig, schätzte Hughes. Einer von den beiden neben ihm schien zu schlafen, er hatte den leicht ungepflegt wirkenden Kopf ganz nach hinten gelehnt. Der andere, ein Mann mit dunklem Haar und grüblerischem Blick, strich mit der Hand über die Türverkleidung.
»Woher kommt ihr denn?« Hughes musterte die hinten sitzenden Musiker im Rückspiegel.
»Von überall her«, antwortete der Dunkelhaarige, der immer noch den Stoff der Türverkleidung streichelte.
»Ja, von da und dort und überall«, sagte der Banjospieler, und wieder machte es tapp, tapp, tapp auf seinem Knie.
Die ganze Band lachte. Hughes heftete den Blick auf die Fahrbahn. Nick würde ihn umbringen, wenn sie in dieser Verfassung aufkreuzten.
»Wollt ihr euch irgendwo schnell ein paar Cokes kaufen?«
»Ein paar Cokes?« Der Dunkelhaarige lachte. »Nein danke.«
Auf der Zufahrtsstraße zum Haus sah er Nick an der Fliegengittertür stehen, als hätte sie schon gewartet.
Der Banjospieler pfiff durch die Zähne. »Nettes Häuschen.«
»Hallo«, sagte Nick und ging über den Rasen zu den Musikern, die gerade ausstiegen.
Die Jungs starrten sie mit großen Augen an. Hughes bedeckte sein Gesicht mit der Hand.
»Ich bin Nick Derringer. Wer von Ihnen ist Tom?«
»Ich«, sagte der Banjospieler, ohne sich vom Fleck zu rühren.
»Hallo«, sagte der Dunkelhaarige und begann so heftig auf den Fersen zu wippen, dass der Trompetenkoffer in seiner Hand ins Schaukeln geriet.
Nick musterte die Musiker und warf Hughes einen Blick zu. »Sie bleiben alle erst mal hier«, befahl sie. »Kann ich dich bitte mal sprechen, Liebling?«
Im Haus drehte sie sich zu ihm um und stemmte die Hände in die Seiten. »Die sind ja völlig zugedröhnt!«, fauchte sie, als wäre er dafür verantwortlich.
»Ich wünschte, ich wäre zugedröhnt«, sagte Hughes. »Dir ist wenigstens die Fahrt mit ihnen erspart geblieben.«
»Das ist nicht witzig, verdammt noch mal!«
»Ich lache auch gar nicht.« Er versuchte ein Grinsen zu unterdrücken.
»Du kannst dir gern eine Flasche Gin nehmen und schon mal anfangen, wenn du so darauf aus bist«, erklärte Nick beleidigt.
»Sind das die Musiker?« Daisys Köpfchen erschien in der Eingangshalle.
»Daisy Derringer, du fegst jetzt den Gehsteig, ich habe es dir schon einmal gesagt!« Nick ging in die Küche, wo die Portugiesinnen mit der Essensvorbereitung beschäftigt waren. »Könnt ihr dafür sorgen, dass die Jungs da draußen Eistee bekommen? Und vielleicht auch ein paar Sandwiches. Aber nicht die feinen! In der Vorratskammer ist noch Schinkencreme, die können sie haben. Und lasst sie um Himmels willen nicht ins Haus!«
Hughes stand im Gang und presste die Finger an die Schläfen. In seinem Kopf hämmerte es immer noch. »Kann ich irgendwie helfen?«, fragte er und hoffte, dass zu seiner Hilfe ein Eisbeutel und ein dunkler Raum gehören würden.
Nick drehte sich am Eingang zur Küche um. »Du könntest den Männern helfen, das Musikpodium aufzubauen, und dafür sorgen, dass sie es nicht so schief hinstellen wie letztes Jahr.«
Hughes nickte. Auf der Veranda entdeckte er eine Eiskiste mit Bier, die der Lieferjunge offenbar abgestellt hatte, ohne irgendwem Bescheid zu sagen. Er griff hinein, zog eine Flasche heraus und öffnete sie mit Hilfe seines Schweizer Armeemessers. Dann setzte er sich auf die Veranda und ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was er mit Ed vorhatte. Helenas Worte über das Freisein in der Nacht zuvor hatten ihn zum Nachdenken gebracht.
Ed musste auf ein Internat, und Hughes musste es bezahlen, mehr war es nicht. Das war die einzige Möglichkeit, um den Jungen wenigstens ansatzweise unter Kontrolle zu bekommen. Wenn
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