Zeit der Raubtiere
Meer von Menschen nach ihr absuchte, kam Arthur Smith-Thompson auf ihn zu.
»Hallo, hallo!«
»Du hast die Bar gefunden, ja?« Hughes klopfte ihm auf den Rücken.
»Na klar.« Sie ließen den Blick ein paar Sekunden lang über die Party schweifen, dann sagte Arthur: »Ich kannte das Mädchen. Dieses Hausmädchen.«
Hughes drehte sich zu ihm. Arthur wandte den Blick ab.
»Sie hat letzten Sommer bei uns gearbeitet.«
»Tatsächlich? Das wusste ich nicht.«
Arthur nickte. »Ja. Elena. Sie war …« Er unterbrach sich. Dann sagte er leise: »Sie war eine von denen, die man immer nur anschauen will.«
Die Musik schwebte zu ihnen herüber.
»Würde mich nicht überraschen, wenn es Frank war. Der es getan hat, meine ich.« Arthur stürzte den Rest seines Drinks hinunter.
Hughes starrte ihn an.
»Sie war einfach so … verführerisch eben – ja, so kann man es nennen. Anmachen und gleich wieder wegstoßen.«
Hughes hörte die Bitterkeit in Arthurs Stimme, und ihm wurde leicht übel.
»Verstehst du?«, fragte Arthur.
»Ich weiß nicht genau.«
»Ich kann nur hoffen, dass Frank sich nicht in sie vergafft hat. Das wäre nämlich sehr, sehr schade für ihn. Ich meine, Caro hat schon recht, es war nur eine Frage der Zeit, dass es Probleme geben würde, weil dieses Mädchen hinter verheirateten Männern her war. So etwas macht mich wütend. Diese Menschen, die herumlaufen und alles durcheinanderbringen. Erst wollen sie dies, und dann wollen sie das. Und nie verschwenden sie auch nur einen einzigen Gedanken darauf, dass es auch noch andere betrifft, wenn du weißt, was ich meine.«
»Na ja, wir können dem armen Mädchen doch wohl kaum die Schuld daran geben, dass es ermordet wurde«, sagte Hughes.
»Aber es sind immer genau diese Mädchen!«, ereiferte sich Arthur. »Die nie wissen, was sie haben. Die immer etwas anderes haben wollen.«
Hughes sah seinen Freund an. Arthurs Gesicht war zu einer hässlichen Grimasse verzerrt. Hughes dachte an Eva und dann an Nick. Und plötzlich wusste er, was seine Frau gemeint hatte. Er musste sie suchen.
»Entschuldige, Arthur«, sagte er, »aber ich muss mal nachsehen, ob ich Nick helfen kann.«
»Ja, natürlich«, erwiderte Arthur, aber er hatte gar nicht zugehört.
Die Party war in vollem Gange, und Hughes brauchte eine Ewigkeit, um vom einen Ende des Rasens zum anderen vorzudringen. Alle paar Sekunden musste er stehen bleiben und irgendwelche Gäste überschwenglich begrüßen. Die Band brachte einen Song von Noël Coward, und etwas verspätet stellte sich Hughes die Frage, wie sie eigentlich ohne Klavier Ragtime spielen wollten. Er musste lachen. Man hatte sie übers Ohr gehauen. Aber das war jetzt auch egal. Das Stimmengewirr klang wie ein dumpfes Dröhnen, vor der Bar stand eine lange, aber nicht zu lange Schlange, und einige Paare hatten bereits begonnen, zu der Musik, die die Top Liners für angebracht hielten, schwungvoll zu tanzen.
Er hielt Ausschau nach Nicks dunklem Haar und ihrem blauen Kleid unter all den weißen Smokingjacken und pastellfarbenen Seidenstoffen, doch vergebens. Als er sich zur Bar vorgekämpft hatte, standen dort Daisy und ihre kleine Freundin mit den schwarzen Fransen. Sie wirkten etwas unschlüssig und verlegen, überlegten wahrscheinlich gerade, wie sie sich ein bisschen Champagner beschaffen konnten.
»Hallo, ihr Mädchen!«
Daisys Freundin war ziemlich witzig, sehr theatralisch und charmant. Sie beantwortete alle seine Fragen, als stünde sie auf der Bühne. Hughes lächelte darüber, aber Daisy schien es peinlich zu sein.
Er erbarmte sich und bat den Barmann, ein paar Tropfen Wein in die beiden Gläser Wasser für die Mädchen zu geben. Dann scheuchte er sie mit der Anweisung fort, sie sollten zum Podium gehen und der Band zuhören.
Wieder schüttelte er Hände und verteilte Wangenküsse, aber der Drang, Nick zu finden, wurde immer stärker. Einmal sah er sie unten beim Musikpodium, wo sie mit seiner Tochter und diesem Jungen sprach, der in sie verknallt war. Doch als er dort ankam, waren sie alle schon wieder woanders. Er fühlte sich wie in einem Traum, in dem man laufen will, sich aber nur in Zeitlupe bewegen kann.
Als er den Blick zum scheinbar hundertsten Mal über die Menge wandern ließ, entdeckte er Dolly Pritchard.
»Hallo«, sagte er. »Ich bin auf Schatzsuche nach meiner Frau, aber sie entwischt mir ständig.«
»Oje«, erwiderte Dolly, »das klingt aber sehr unbefriedigend.«
»Ja, ist es auch.«
»Ich glaube, sie
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