Zeit der Raubtiere
Filmprojekt investieren, in irgendeinen zweitklassigen Schwachsinn. Nick hatte Helena daran erinnert, dass sie das Haus ausschließlich Nicks Vater zu verdanken hatte, in der Hoffnung, ihre Cousine würde sich so schämen, dass sie die Idee aufgab. Und Helena hatte eingelenkt und gesagt, dann müssten sie das Geld eben anders auftreiben. Und natürlich habe Nick recht. Nick war wütend gewesen nach dem Gespräch und hatte zu Hughes gesagt, sie sollten besser nach Hollywood fahren und nach dem Rechten sehen. Aber Hughes hatte natürlich darauf hingewiesen, dass die Fahrt quer durchs ganze Land kostspielig sei, und Nick hatte nicht aus ihrer düsteren Stimmung herausgefunden und sich tagelang geweigert, einkaufen zu gehen.
»Wo sind Sie denn?« Charlie Wells’ Stimme brachte Nick in das Auto zurück, durch dessen offene Fenster die warme Luft strömte.
»Ach, irgendwo«, sagte Nick. »Bisschen müde vom vielen Wein gestern Abend.«
»Wir parken hier und gehen zu Fuß.« Charlie fuhr vor dem alten spanischen Fort, das einst dem Schutz der Stadt gedient hatte, an den Straßenrand.
Das Restaurant befand sich in einem der vor sich hin bröckelnden Kolonialgebäude beiderseits der schmalen Pflasterstraßen in der Altstadt von St. Augustine. Der Gastraum war dunkel mit einer niedrigen Decke, und Nick fragte sich, wie viele andere Frauen Charlie wohl schon hierher mitgenommen hatte.
»Ich wähle für uns beide aus, wenn es Ihnen recht ist«, sagte er.
Nick machte eine vage Handbewegung. »Gern. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte.«
Als der Kellner den Wein brachte, legte Nick die Hand auf ihr Glas. »Ich trinke besser nichts.«
»Sie müssen«, entgegnete Charlie. »Tapas ohne Wein – das geht nicht.«
»Na gut, aber nur ganz wenig«, sagte Nick und gab das Glas frei.
Der Tisch war so klein, dass sich ihre Knie fast berührten, aber Charlie hatte ihr bisher keinerlei Avancen gemacht, was Nick leicht beunruhigte.
Die kleinen Fisch- und Fleischgerichte schmeckten zugleich salzig und scharf, ölig und säuerlich. Nick und Charlie troff die Sauce vom Kinn, und einmal musste Nick ihren Finger ablecken.
»Ich fühle mich wie eine Einheimische«, sagte sie fröhlich. Er hatte recht gehabt mit dem Wein; sie schob ihm ihr leeres Glas hin.
»Sie sehen auch ein bisschen aus wie eine Einheimische mit Ihrer Bräune«, erwiderte Charlie lachend und schenkte nach.
»Ich bin bis jetzt noch nie im Winter braun gewesen. War ein hartes Stück Arbeit!«
»Hat sich jedenfalls gelohnt. Alle Jungs auf dem Schiff sind in Sie verknallt.«
»Wirklich? Die haben mich doch kaum gesehen.«
»Das eine Mal hat gereicht«, sagte Charlie. »Ich hatte davon gehört, aber ich musste es selbst erleben, um es zu glauben.«
Nick wusste, dass er log; sie war nicht der Typ, der Seeleute zum Schwärmen brachte. Aber sie wurde trotzdem rot.
»Muss Ihnen nicht peinlich sein«, sagte Charlie grinsend.
»Es ist mir nicht peinlich. Aber …« Nick stockte. »Na ja, ein bisschen peinlich ist es mir schon.«
»Macht Ihr Mann, dieser Glückspilz, Ihnen denn nie Komplimente?«
Nick starrte schweigend auf ihre schmutzige Serviette.
»Schon gut, schon gut, ich höre auf mit dem Sticheln. Jetzt trinken wir erst mal einen Kaffee.«
Der Kellner brachte starken Kaffee in kleinen, angeschlagenen Tassen. Noch nie hatte Nick zu Hause etwas so Gutes getrunken.
»Der kommt aus Marokko«, erklärte Charlie. »Er wird zweimal gefiltert und mit Kardamom gewürzt, das ergibt den Geschmack.«
Sie nippten schweigend an ihrem Kaffee und lauschten dem Geschirrgeklapper aus der Küche.
»Ich bin so müde«, sagte Nick, während sie den Kaffeesatz am Boden der Tasse schwenkte. »Ich könnte ewig schlafen.«
»Wollen Sie zurück?«
»Ja, ich glaube schon. Sonst ende ich noch wie Rip Van Winkle und schlafe hundert Jahre lang an diesem Tisch.«
Charlie lachte. »Das würde denen hier wohl kaum etwas ausmachen.«
»Es wäre wahrscheinlich gar nicht mal der schlechteste Ort dafür. Wenigstens gäbe es nach dem Aufwachen leckere Sachen zu essen.«
»Ich wollte Ihnen eigentlich noch zeigen, wo der gute Krabbenkutter einläuft«, sagte Charlie. »Aber das kann warten.«
»Ich muss es erst mal schaffen, morgens rechtzeitig aufzustehen«, erwiderte Nick. »Und eine Lektion ist vielleicht genug für heute.«
Sie steckte den Kopf aus dem Wagenfenster und ließ sich vom Wind die weinwarmen Wangen kühlen. Wäre sie allein gewesen, hätte sie die Luft
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