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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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geschluckt und sich vom Salz durchpusten lassen, aber vor Charlie wollte sie das nicht.
    Hin und wieder glitt sein Blick über sie, und sie spürte, dass er sie gern berührt hätte.
    Sie bogen in die Einfahrt, und Charlie stellte den Motor ab. Das Gebläse rauschte. Nick lehnte sich zurück und hörte den Grillen zu, die rings um die Bungalows im starren Sumpfgras zirpten. Ihr Dekolleté war schweißnass, und ihre Kniekehlen klebten am Vinyl. Charlie legte die Hand auf ihren Schenkel. Sie sah ihn an. Er rutschte auf seinem Sitz näher und griff um den Schaltknüppel herum nach ihr. Sie kam ihm nicht entgegen. Er schien ihr Gesicht nach etwas abzusuchen, und sie fragte sich, was er darin sah. Er rutschte noch näher heran und streckte den Arm aus, um sie an sich zu ziehen, doch dabei verfing sich sein Hosenbein am Schaltknüppel, und er musste sehen, dass er wieder freikam.
    Beinahe hätte Nick losgelacht. Charlie sah aus wie ein verzweifelter Verrenkungskünstler. Er zerrte an ihr, versuchte, sie zur Mitte hinzuziehen, aber sie rührte sich nicht. Er atmete schwer. Schließlich gelang es ihm, ein Bein am Schaltknüppel vorbeizuzwängen, und sofort war er auf ihr und drängte sie in die Ecke. Nick dachte, wie komisch das Ganze den Wichtigtuerinnen erscheinen musste, die garantiert alle am Küchenfenster standen und gafften. Endlich würde es für sie wirklich etwas zu erzählen geben.
    Charlies Mund glitt über Nicks Hals und hinterließ eine nasse Spur entlang des Schlüsselbeins. Ihr war viel zu heiß – vom Wein und von der Sonne und den lauten Grillen, deren Gezirpe sie plötzlich anwiderte. Sie versuchte Charlie wegzuschieben, doch der nutzte jetzt sein ganzes Gewicht und zerrte an ihr – mit einer Hand unter dem Rock ihres Sommerkleids, mit der anderen an den Schulterträgern.
    »Hör auf!«, sagte sie. »Es ist zu heiß.«
    Charlie reagierte nicht; vielleicht hatte er es gar nicht gehört. Nick dachte darüber nach, ob sie es wirklich laut ausgesprochen hatte. Sie wehrte sich jetzt energischer, aber es half nichts. Er zerriss das Oberteil, und ein Dutzend winzige stoffbespannte Knöpfe flogen durch den Wagen.
    Nick tastete nach dem Türgriff, betätigte ihn und purzelte mit Charlie auf die Einfahrt.
    Sie landete flach auf dem Rücken, den Rock ihres Kleids wie einen Fächer um sich drapiert und erfüllt von dem Drang, lauthals loszuprusten. Sie bedeckte das zerrissene Oberteil mit der Hand und versuchte das Lachen zu unterdrücken, von dem sie bereits geschüttelt wurde, doch es ließ sich nicht vertreiben. Sie schlug die freie Hand vor den Mund, aber zu spät. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, sie schnappte nach Luft und lachte und japste in den Kies und glaubte, in Stücke gerissen zu werden. Charlie saß neben ihr; er wirkte wütend und erschöpft, was sie noch mehr zum Lachen brachte. Er rappelte sich hoch, blieb vor ihr stehen und sah sie mit rotem, verschwitztem Gesicht zornig an.
    »Tut mir leid, aber … Ach herrje«, brachte Nick gerade noch hervor, dann kam die nächste Lachsalve.
    »Miststück!«, zischte Charlie. »Erst heißmachen und dann …« Er trat in die Erde, so dass ein paar Steinchen Nick trafen, stieg in den Wagen und knallte die Tür zu.
    Nick blieb liegen und lachte weiter. Während das Auto mit quietschenden Reifen davonfuhr, hielt sie sich den Bauch und sah den Staubkörnchen zu, die durch die Sonnenstrahlen wirbelten.
     
    Den restlichen Nachmittag verbrachte sie mit der Zubereitung des Tomatenaspiks, den sie für das Offizierspicknick am Abend in Green Cove Springs angekündigt hatte. Sie hatte das Ganze völlig vergessen, bis ihr das auf der Küchentheke neben dem Kühlschrank liegende handgeschriebene Rezept ins Auge fiel, für das eine Brühe, wie ihre Mutter sie immer gemacht hatte, und ein bisschen Knox-Gelatine benötigt wurden. Plötzlich war ihr dieser Aspik so wichtig gewesen, vielleicht das Wichtigste auf der Welt, und sie hatte sich mit größter Konzentration an die Arbeit gemacht.
    Sie briet übrig gebliebene Knochen an, putzte das Gemüse und behielt die Brühe im Blick, während sie sie zu einer verdickten Consommé reduzierte. Sie kochte die Tomaten, passierte sie und goss die Mischung in die zinnerne Fischform, die zusammen mit ihren anderen Habseligkeiten von zu Hause nach Florida geschickt worden war. Dann stellte sie die Form in den Kühlschrank und begann sich herzurichten.
    Das zerrissene Kleid hatte sie in den Wäschekorb geworfen. Sie steckte sich

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