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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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dachte an Europa, an Balkone mit Geländern aus Schmiedeeisen und hohe Fenster und an das Gefühl einer fremden Sprache auf den Lippen.
    »Ich weiß nicht, ob ich so vorsichtig, durchdacht oder was auch immer sein kann«, sagte sie.
     
    Nick holte die Baisers aus dem Ofen und nahm sie zum Abkühlen vom Blech. Sie musste weit ausgreifen, um sie auf das Kuchengitter zu legen, und achtete darauf, dass ihr dicker Bauch nicht an die Küchentheke stieß. Dann trat sie einen Schritt zurück und bewunderte ihr Werk. Die Baisers, große, luftige, hoch aufragende Gebilde mit schön geformten Rillen – eine feine Sache, aber ihr waren Makronen lieber, sie waren grobkörniger wegen der Kokosflocken.
    Nach dem Gespräch über das Baby hatte Hughes das Thema nicht mehr angeschnitten. Doch als Nick noch im selben Monat erfuhr, dass Helena schwanger war, hatte er der Cousine die Zugfahrt von Los Angeles spendiert.
    »Ist doch schön, wenn ihr beide euch mal wieder seht«, hatte er zu Nick gesagt. »Außerdem weiß ich nicht, was ich von diesem Avery halten soll.«
    »Ganz deiner Meinung!«
    Dass Hughes hoffte, sie werde anders über ein Baby denken, wenn sie die glücklich schwangere Helena erlebte, war Nick klar, aber es störte sie nicht. Seit sieben Monaten, seit sie zusammengepackt hatten und aus dem Haus in der Elm Street ausgezogen waren, hatte sie ihre Cousine nicht mehr gesehen, und sie vermisste Helena. Außerdem hatte sie ein ungutes Gefühl, denn Helena wirkte immer so niedergeschlagen und erschöpft, wenn sie über Avery und die Pläne sprach, die er für sich und seine Frau machte.
     
    Helena traf im Mai in Cambridge ein, gerade als die Maiglöckchen den Garten in eine Decke aus glänzendem Dunkelgrün und zartem Weiß verwandelt hatten. Nick pflückte einen kleinen Strauß und nahm ihn mit zur South Station.
    »Helena, du siehst ja überhaupt nicht schwanger aus!«, rief sie lachend und umarmte ihre Cousine innig, als diese auf den Bahnsteig trat.
    »Findest du? Also, ich komme mir monströs vor.« Helena trug ein hellblaues Kostüm aus leichter Wolle oder aus einem der künstlichen Mischgewebe, die gerade groß in Mode waren.
    »Du siehst absolut bezaubernd aus. Sag bloß nicht, dass du jetzt auch in Filmen mitspielst!«
    »Meine liebe Nick«, erwiderte Helena lächelnd, »du hast dich kein bisschen verändert: lügst immer noch bei jeder Gelegenheit, dass sich die Balken biegen.«
    Nick gab dem Schlafwagenschaffner einen Vierteldollar aus ihrer roten Lederbörse und nahm ihre Cousine an der Hand. »Hughes hat sogar Geld fürs Taxi springenlassen. Wir werden also stilvoll unterwegs sein.«
    »Ach, schön, wieder daheim zu sein«, sagte Helena. »Du weißt gar nicht, wie glücklich ich bin.«
    »Na ja, ich weiß, wie glücklich ich bin.« Nick winkte ein wartendes Taxi herbei. »Er hat mich fast vollständig in eine perfekte Hausfrau verwandelt. Du musst später unbedingt meinen Kopf begutachten. Aber jetzt nichts wie nach Hause! Das Mittagessen und der Wein warten.«
    Nachdem sie daheim angelangt waren, ging Helena ins Gästezimmer, um sich frisch zu machen, während Nick den kleinen Tisch im Gartenzimmer deckte und den Thunfischsalat zubereitete. Als Helena wieder herunterkam, hatte sie den kleinen blauen Hut abgelegt, und man sah, dass ihr die blonden Locken bis zu den Schultern reichten. Mit ihrem rosigen, pausbäckigen Gesicht hätte sie jede Weihnachtsreklame geziert.
    »Also, das Schwangersein steht dir richtig gut, muss ich sagen«, verkündete Nick. »Im wievielten Monat bist du jetzt – im dritten?«
    »Im vierten.« Helena setzte sich an die grüne Resopaltheke. »Zumindest hat das der Arzt behauptet, aber ich weiß nicht, ob ich mich auf ihn verlassen kann. Ich glaube, das ist ein kleiner Quacksalber.« Sie seufzte. »Aber Avery sagt, dass alle guten Schauspielerinnen zu ihm gehen, und deshalb …«
    »Gute Schauspielerinnen lassen doch immer nur abtreiben«, wandte Nick ein. »Du solltest wirklich noch mal wiederkommen und es hier zur Welt bringen. Dann könntest du zu Dr. Monty gehen.«
    »Ich dachte, Dr. Monty ist tot«, sagte Helena lachend.
    »Ach was! Quietschlebendig und die Tatschhände immer noch am Po der Arzthelferin.« Nick warf ihrer Cousine einen Blick zu, dann fuhr sie fort, Salatblätter auf den Tellern zu arrangieren. »Hughes will einen.«
    »Einen Po, den er betatschen kann?«
    »Wenn es nur das wäre! Nein, einen Sprössling.«
    Helena grinste. »Das ist ja nun kein Todesurteil!

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