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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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ins Aufschlagfeld lief und den Ball unsichtbar wie eine Wespenlarve in einem Tennisdress aus Baumwollpiee ins Vorteilsfeld schmetterte. (Das Bild verschwand augenblicklich, sobald sie die echte Peaches wiedersah. Dann hätte sie ihr am liebsten nur noch mit einer harten Rückhand die schrägen kleinen Augen aus dem Kopf gedroschen.)
    Die einzige andere Spielerin, die nicht als komplett unfähig gelten musste, war das neue Mädchen, Anita. Daisy hatte sie ein paar Tage lang einer heimlichen Prüfung unterzogen und dann beschlossen, sich an sie heranzumachen. Gegen sie sprachen ihre durchstochenen Ohrläppchen, die Daisy zwar im Grunde nicht störten, sie aber ständig an die Bemerkung ihrer Mutter über die junge Portugiesin erinnerten, die im Jachtclub bediente und offenbar mit zu vielen Jungen ausging.
    Anständige Mädchen lassen sich nicht die Ohren stechen.
    Dazu kam, dass Anita mit ihrem glatten schwarzen Haar und den schnurgerade geschnittenen Stirnfransen wie ein Beatnik-Mädchen aussah. Aber sie schaffte es, Bälle von der rechten Seite des Niemandslands gefühlvoll mit der Rückhand zu retournieren, was Daisys Meinung nach die durchstochenen Ohrläppchen und mögliches Bongo-Spielen bei weitem aufwog.
    Sie hatte sich vorgenommen, Anita in der Vormittagspause zu fragen, wenn die Kinder unter dem Dach der Veranda an der Rückseite des Clubhauses Schatten suchten. Doch dann sah sie auf dem Weg von den hinteren Tennisplätzen zum großen Rasen ihre Mutter und Tante Helena spielen. Tante Helena war vor Anstrengung rot wie ein Kirschlutscher, während sich Daisys Mutter, kleine Sandwölkchen aufwirbelnd, locker über den Platz bewegte. Sie war braun, und in ihr normalerweise glänzend schwarzes Haar hatte die Sonne honiggelbe Strähnchen gebrannt. Am stärksten aber fiel Daisy die Leidenschaftslosigkeit auf, mit der sie spielte. Ihr fehlte die Wut, von der Daisy zwischen Grundlinie und Netz hin und her getrieben wurde, ihr Körper vibrierte nicht von der Energie, die Daisy immer das Gefühl gab, gleich aus der Haut zu fahren. Sie verstand nicht, wie ihre Mutter den Schläger so locker halten konnte, als wäre er keine Waffe, und wie sie es fertigbrachte, in ihrer Gegnerin nicht den Feind zu sehen. Alles wirkte perfekt, aber völlig automatisch.
    Dann entdeckte Daisy auf der Zuschauerbank vor dem Platz Tyler Pierce. Tyler, dessen Seegrashaare sie durch ihre Tagträume begleitet hatten, verfolgte das Spiel offenbar mit größtem Interesse. Sie überlegte, ob sie zu ihm gehen und ihn ansprechen und ihm erzählen sollte, dass diese lässig spielende Frau dort ihre Mutter war, aber sie hatte Angst, man könnte sie hinterher hänseln, weil sie sich bei einem älteren Jungen einschmeicheln wollte. Widerwillig stieg sie die Stufen zur Clubhausveranda hinauf, beugte sich über das weißlackierte Geländer und beobachtete, wie Tyler ihrer Mutter zusah.
    Etwas Kaltes, Nasses berührte sie am Arm und riss sie aus ihrer Konzentration. Sie drehte sich um und stand vor der lächelnden Anita, die ihr ein Glas Zitronenwasser an die Schulter drückte.
    »Hallo«, sagte Anita und hielt Daisy das Glas hin.
    »Hey.«
    »Die ist sensationell, was?«, sagte Anita und ließ den Blick über den Platz schweifen, auf dem Daisys Mutter und Tante Helena gerade verstreute Tennisbälle aufhoben.
    »Wer denn?«, fragte Daisy, leicht verwirrt von Anitas plötzlichem Auftauchen und dem Schreck, den ihr das eiskalte Glas eingejagt hatte.
    »Die Dunkelhaarige.«
    »Das ist meine Mutter.« Daisy blickte Anita verärgert an, nahm das Zitronenwasser aber trotzdem.
    »Wirklich? Du siehst ihr aber überhaupt nicht ähnlich.«
    »Ich weiß«, erwiderte Daisy gereizt. Sie fühlte sich eingeengt, denn Anita stand so nahe bei ihr, dass sich ihre Schultern berührten. »Ich sehe meinem Vater ähnlich.«
    »Ach so.« Anita trank einen Schluck aus ihrem eigenen beschlagenen Glas. »Der ist aber bestimmt auch elegant.«
    »Keine Ahnung«, sagte Daisy und trat auf den anderen Fuß.
    Daisy musste zugeben, dass Anitas ganz gerade geschnittene Fransen eine Art altmodischen Schick hatten. Sie erinnerten sie an das Foto des Filmstars aus den zwanziger Jahren, das sie in einem Sammelalbum ihrer Mutter gesehen hatte. »Du, ich wollte dich fragen, ob du mit mir im Doppel spielen möchtest.«
    »Klar«, sagte Anita, als wäre es kaum der Rede wert.
    »Wir müssten aber viel trainieren«, erklärte Daisy streng. Plötzlich nahm sie es Anita übel, dass sie so kühl auf ihr

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