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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Angebot reagierte. »Also, jeden Tag, meine ich.«
    »Wir spielen doch sowieso jeden Tag. Aber klar, warum nicht? Kann ich zu dir nach Hause kommen?«, fragte Anita.
    »Glaub schon.« Daisy fühlte sich überrumpelt. Sie wusste nicht genau, ob sie wirklich wollte, dass Anita sich in ihrem Haus aufhielt, und was ihre Mutter dazu sagen würde. »Wir müssen zurück. Die Pause ist vorbei.«
    »Ich komme nach«, sagte Anita, den Blick noch immer auf Daisys Mutter gerichtet.
    Als Daisy über den Rasen zurückging, winkte ihre Mutter ihr vom Platz aus zu.
    »Hallo, Daisy.«
    »Hallo, Mummy«, sagte Daisy. Der eigene Schläger lag ihr wie eine stumme Waffe in der Hand, und wieder wunderte sie sich über das perfekte Spiel ihrer Mutter.
     
    Im weiteren Verlauf der Woche vermied es Daisy, Anita zu sich einzuladen, indem sie nach dem Ende der Trainingseinheit im Club blieb. Sie lehnte gerade an dem Maschendrahtzaun, der Platz sieben von den grasbewachsenen Wegen und dem Sumpfland trennte, die zum Eisteich führten, als ihr Cousin hinter ihrem Kopf am Metallgitter rüttelte.
    »Und, wie kommt deine Rückhand voran?« Ed imitierte die zackige Sprechweise von Mrs. Coolridge.
    »Donnerlittchen, Ed, was machst du denn hier?«, sagte Daisy, wandte sich abrupt um und steckte die Finger zwischen die Zaunmaschen. Ed überragte sie, sie musste nach oben in die Sonne schauen, um seinen Blick zu erwidern. »Wenn dich der alte Drachen erwischt, bist du erledigt.«
    »Du musst mich doch jetzt nach Hause bringen«, sagte Ed. Er trug seine Tennissachen, die, abgesehen von den schmutzigen, abgewetzten Schuhen, in tadellosem Zustand waren. Sein blondes Haar hatte die Farbe von ausgebleichtem Weizen.
    »Du bist so ein Baby«, erwiderte Daisy. »Warum sagst du deiner Mutter nicht einfach, dass du nicht spielen willst?«
    »Weil ich keine Lust habe, den ganzen Vormittag mit ihr zu verbringen«, antwortete Ed trocken. »Komm, wir gehen ein bisschen spazieren. Ich habe einen guten Weg zum Teich entdeckt, einen, den niemand kennt.«
    »Ich habe Hunger«, erklärte Daisy. »Ich will nach Hause. Mummy macht heute gefüllte Eier.«
    »Ich habe zwei Zigaretten geklaut«, sagte Ed. »Und zwar von Tyler Pierce.«
    Daisy stellte sich vor, sie würde mit Tyler Pierce hinter dem alten Eiskeller im Garten eine Zigarette rauchen und er hätte seine Hand in ihrem kurzen blonden Haar vergraben.
    »Gut. Aber schnell, sonst verhungere ich.«
    »Verhungern tun doch nur die Chinesen«, gab Ed zurück.
    »Donnerlittchen.«
    »Hör doch endlich auf damit«, sagte Ed. »Klingt nicht gerade erwachsen.«
    »Als ob du davon irgendeine Ahnung hättest.« Daisy öffnete eine Seitentür im Zaun und trat zu Ed auf den grasbewachsenen Weg zwischen den Plätzen. »Los, Beeilung!«
    Als sie das hohe Sumpfgras und die kleinen, aus alten Eichen bestehenden Baumgruppen des grünen Hinterlands von Sheriff’s Meadow durchquert hatten, begann Daisy langsamer zu gehen. Ed ging jetzt voraus, und sie entdeckte, dass bei dem, was immer er an seinen freien Vormittagen trieb, sein Nacken braun geworden war.
    »Hinter dem alten Schuppen müssen wir nach links«, sagte Ed, ergriff Daisys Hand und zog sie tiefer ins Unterholz.
    »Hinter dem alten Schuppen ist doch nichts«, wandte sie mürrisch ein. Sie war hungrig, sie wollte ihr Mittagessen. »Ich will nicht, dass meine Schuhe von dem Sumpfboden hier schmutzig werden. Außerdem sind dahinten Millionen Mücken.«
    »Nein, ich habe einen Weg entdeckt, der führt zu einem alten Unterstand«, entgegnete Ed. »Da können wir die Zigaretten rauchen.«
    »Ich dachte, du findest Zigaretten widerlich. Und wie hast du die Tyler überhaupt geklaut?«
    »Aus seiner Tennistasche. Die Zigaretten sind für dich.«
    »Du musst versprechen, dass du auch eine rauchst, sonst gehe ich sofort nach Hause!« Daisy blieb stehen. Ihr Tenniskleid hatte sich im Himbeergestrüpp verfangen.
    »Da drüben ist es«, sagte Ed und löste den Baumwollstoff vorsichtig von einem Stachel.
    Sie hatten den halbverfallenen Schuppen erreicht, der zu einem nicht mehr genutzten Ferienhäuschen am anderen Ufer des Eisteichs gehörte. Sie verließen den ausgetretenen Weg und gingen Richtung Teich. Dabei kamen sie an einem mit Flechten überzogenen Gedenkstein vorbei. Daisy wäre gern stehen geblieben, um daran herumzuzupfen, aber Ed umklammerte ihr Handgelenk mit unvermindert festem Griff, zog sie hinter sich her und bahnte sich einen Weg durchs Gebüsch. Normalerweise hätte sie

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