Zeit der Raubtiere
sich nicht so herumzerren lassen, aber sie wollte wissen, was er an seinen geheimnisvollen Vormittagen anstellte. Außerdem gefiel er ihr, wenn er so zielstrebig war und ihr etwas zu zeigen hatte, anstatt immer nur vor sich hin zu träumen und die Leute so anzuschauen, dass ihnen unbehaglich wurde.
Hinter dem Gebüsch stießen sie auf einen schmalen, gewundenen, von einer hohen wilden Hecke gesäumten Pfad. Kein Lüftchen regte sich, es war ganz still; nur das Zirpen der Grillen in der Hitze übertönte das Rascheln ihrer Füße im feuchten Gras.
»Donnerlittchen«, sagte Daisy, ehe sie sich bremsen konnte. »Wie hast du den bloß gefunden?«
»Ich bin einfach rumgegangen«, antwortete Ed. In seiner Stimme schwang ein zufriedener Unterton mit. »War mir klar, dass es dir gefallen würde. Dass du es verstehen würdest«, fügte er hinzu und sah sie eindringlich an.
»Hört der Weg auch wieder mal auf?«, fragte Daisy.
»Ein Stück weiter ist eine Lichtung.«
»Dann rauchen wir die Zigaretten jetzt hier.« Daisy legte ihm die Hand auf den Arm und spürte den Muskel.
»Gehen wir erst noch ein Stück«, schlug Ed vor. »Der Unterstand ist gleich um die Ecke.«
Hinter der nächsten Wegbiegung stand eine alte, morsche Eiche, deren Wurzeln wie ein erschöpfter Schwimmer an die Oberfläche gekommen waren. Daisy lehnte sich mit dem Rücken an die bröckelige Rinde und rutschte auf eine der Wurzeln hinunter.
Ed gab ihr eine Zigarette und zog ein Streichholzbriefchen mit der geprägten Aufschrift »The Hideaway« hervor. Daisy hob die Zigarette zum Mund. Der trockene Tabak haftete an ihren Lippen. Ed zündete vorsichtig das Streichholz an und führte es langsam an das Ende der Zigarette, die aber nicht brennen wollte.
»Du musst ziehen, wenn ich es dranhalte«, erklärte Ed.
Daisy tat wie befohlen, und das Zigarettenende glühte zischend auf.
»Tut weh«, sagte sie. Sie versuchte zu inhalieren wie die Mädchen, die sie am Harvard Square gesehen hatte. Ein kurzer Luftschnapper, dann strömte der graublaue Rauch ebenmäßig zwischen den roten Lippen hervor. Aber es klappte nicht. Allerdings schmeckte es sowieso bitter, und ihr wurde leicht übel davon, genauso wie von zu viel Kaffee. »Ich glaube, ich kann sie nicht zu Ende rauchen.«
Ed betrachtete den Weg.
Daisy drückte die Zigarette auf der Wurzel aus und blieb sitzen. Sie fühlte sich komisch und war ein bisschen traurig wegen Tyler. Wenn er sie fragte, konnte sie ja so tun, als ob es ihr geschmeckt hätte. Sie begann in das Gras zu treten, das rings um den Baum wuchs, aber dann merkte sie, dass ihre Schuhe davon fleckig wurden. Hinter der Wiese war eine kleine Lichtung zu sehen.
»Also, wo ist jetzt dieser Unterstand?«
»Da drüben. Willst du ihn dir anschauen?«
»Ja, aber dann will ich nach Hause und gefüllte Eier essen.«
Ed führte sie an der Eiche vorbei durch ein Geißblattgestrüpp auf die Lichtung, an deren Rand eine unter der Last der feuchten Luft und der eigenen fauligen Bretter fast zusammengebrochene Bude stand. Sie sah aus wie ein Buswartehäuschen, hatte ein schräges Dach und war vorne, soweit die beiden sehen konnten, offen.
»Gruselig«, sagte Daisy. »Und da verbringst du also jeden Vormittag?«
»Manchmal«, antwortete Ed zurückhaltend.
Daisy wollte die Frontseite sehen und ging um den Unterstand herum. Er war ziemlich tief. Aus dem Dunkel ragten Brombeergestrüpp und alter Müll – Bierflaschen und Schokoladenpapier – hervor.
Ganz hinten entdeckte Daisy etwas. Es sah aus wie eine alte karierte Reisedecke.
»Da liegt eine Picknickdecke oder was das ist«, sagte sie und trat ein bisschen Erde in die Richtung.
Ed stellte sich neben sie und blickte blinzelnd hinein.
»Da hat jemand in deinem Geheimversteck gepicknickt.«
Ed schwieg.
Daisy ging so nahe heran, dass sie unter dem Dach stand, und betrachtete die Decke. Sie war gewölbt und hatte Flecken, die wie Schokoladensauce aussahen. Dann sah Daisy die Qualle, deren Fangarme unter einem mottenzerfressenen Zipfel hervorquollen und sich schleimig die Rückwand hochzogen. »Da ist irgendwas drunter«, sagte sie, und ihr Herz begann schnell zu schlagen. »Vielleicht schläft da wer.«
Unerfindlicherweise musste Daisy plötzlich an den Mann denken, der wie Walt Disney ausgesehen und an seinen Geschlechtsteilen herumgerieben hatte, als sie vor der Damentoilette im Bonwit Teller an ihm vorbeiging. Sein Mund war zu einem großen O gerundet gewesen, wie bei einem Fisch. Ihrer
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