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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Mögen.«
    »Ja«, sagte Ed nachdenklich.
    Daisy wandte sich wieder dem Spiegel zu und nestelte an der Brosche auf ihrer Schärpe herum.
    Das hübscheste Mädchen der ganzen Party.
    Ed betrachtete sie, so wie er sie immer betrachtete – als wäre sie ein auf Samt aufgespießter Schmetterling.
    »Warum magst du ihn?«
    »Was soll das heißen ›Warum magst du ihn‹? Alle Mädchen mögen ihn. Sogar Mummy findet, dass er gut aussieht.«
    »Weil er gut aussieht, deshalb magst du ihn«, sagte Ed mehr zu sich selbst.
    »Nicht nur deshalb. Er spielt außerdem auch noch richtig gut Tennis.« Daisy unterbrach sich. Sie kam sich blöd vor. »Ich weiß auch nicht. Was soll das überhaupt?«
    »Also, weil er gut aussieht und gut Tennis spielt.«
    »Du kapierst es einfach nicht, Ed. Wenn dir irgendwann mal ein Mädchen gefällt, weißt du, wovon ich rede.« So, jetzt habe ich’s ihm gegeben, dachte Daisy und kam sich sehr erwachsen vor.
    »Wie soll ich es wissen, wenn du mir nichts darüber erzählst?«
    Sein Mund zuckte vor Konzentration, und Daisy dachte wieder an das Raubtierlächeln ihrer Mutter.
    »Es ist einfach ein Gefühl«, sagte Daisy, die das Gespräch endlich beenden wollte. »So wie einem Schinkensandwiches besser schmecken als Erdnussbutter, nur stärker.«
    »Wie Sandwiches.«
    »Mein Gott, nein – nicht wie Sandwiches, nur so ähnlich.« Er begann ihr leidzutun; er war so schwer von Begriff und wirkte so ehrlich interessiert, obwohl sie das Gefühl nicht loswurde, dass er sich über sie lustig machte. »Wenn ich ihn sehe, ist es wie beim Tennisspielen. Dann überkommt mich auch so ein Frösteln, und alles andere verschwindet sozusagen.«
    »Ach so«, sagte Ed und senkte ausnahmsweise als Erster den Blick. Dann legte er die Hand aufs Herz, als fühlte er es schlagen.
    »Was ist?«
    »Nichts. Ich denke nur nach.«
    »Mir ist langweilig«, sagte Daisy. Sie ließ sich aufs Bett fallen und zog den Rock ihres Kleids unter sich hervor. »Was sollen wir machen?«
    »Wir könnten die Mausefallen überprüfen«, sagte Ed. »Heute Morgen habe ich eine tote Maus entdeckt. Die Schnauze war ganz weit aufgerissen, als würde sie schreien.«
    »Das ist eklig. Davon wird mir schlecht, Ed Lewis.«
    »Wir könnten die Erwachsenen ausspionieren. Die sitzen jetzt wahrscheinlich alle beim Abendessen.«
    »Das ist langweilig.« Daisy schwang ihre Beine in die Luft und stieß mit den Fersen an die Querleiste des Messingbetts. »Na gut, wahrscheinlich gibt es wirklich nichts Besseres.«
    Sie wollte als Erste hinunterlaufen, doch Ed legte ihr eine Hand auf die Schulter und bremste sie sanft. Dann hob er den Finger an den Mund.
    »Du musst auf den Fußballen gehen«, flüsterte er. »So haben sich die Indianer bei der Jagd an die Tiere herangeschlichen.«
    Er drängte sich vor sie und huschte lautlos in den ersten Stock hinunter.
    Daisy tat es ihm nach, bis sie vor der Flügeltür anlangten, die das Speisezimmer mit dem blauen Salon verband. Sie blieben stehen und lauschten. Das Klirren der Gläser und des Silberbestecks war kaum vom Gesprächsgemurmel zu unterscheiden.
    In der Nähe der Abendgesellschaft wagte Daisy kaum zu atmen, um Ed und sich nicht zu verraten. Sie sah zu ihrem Cousin hinüber, der lässig an der Wand hinter einem der Türflügel lehnte.
    »… ist ja entzückend. Wo habt ihr denn diese süßen kleinen Fähnchen her?« Das war Mrs. Smith-Thompsons schrille Stimme.
    »Ach, die haben wir schon seit Jahren«, antwortete Daisys Mutter.
    Dann ertönte die sanfte Stimme ihres Vaters. »Ihr wisst doch, wie Nick ist.«
    »Allerdings«, erwiderte Mr. Pritchard lachend.
    »Eines von den portugiesischen Hausmädchen meiner Mutter hat sie genäht«, fuhr Daisys Mutter fort.
    »Apropos portugiesische Hausmädchen.« Das war Mrs. Pritchard. »Wie handhabt ihr eigentlich die Sache mit dem Mädchen der Wilcox?«
    »Bitte, Dolly«, warf Mrs. Smith-Thompson in tadelndem Ton ein. »Das ist doch kein Gesprächsthema beim Essen …«
    »Das ist mir völlig egal«, erklärte Mrs. Pritchard. »Ich konnte es kaum erwarten, mit Nick darüber zu sprechen, und habe den Mund jetzt schon so lange gehalten, wie es überhaupt nur geht!«
    »Und das will etwas heißen, wie wir alle wissen«, sagte Daisys Vater.
    Der ganze Tisch brach in Gelächter aus; mehrere Sekunden lang war nichts mehr zu verstehen.
    »Grauenhaft«, hörte Daisy ihre Tante sagen.
    »… die armen Kinder …«
    Dann übertönte Mrs. Pritchard das Stimmengewirr: »Aber

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