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Zeit der Raubtiere

Zeit der Raubtiere

Titel: Zeit der Raubtiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Klaussmann
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Haus trieb. »Lauf los und lass schon mal dein Badewasser ein! Kurz bevor die Gäste zum Abendessen eintreffen, komme ich kontrollieren.«
    »Ich bin doch kein Baby mehr«, wandte Daisy empört ein. »Ich muss doch nicht kontrolliert werden.«
    »Nein, natürlich bist du kein Baby mehr«, erwiderte ihre Mutter zerstreut. »So, jetzt lauf!«
    Daisy sah zu, wie ihre Mutter mit schwingendem Rock, irgendeine Melodie vor sich hin summend, die Treppe hinaufstieg.
     
    Etwas später saß Daisy frisch gebadet auf dem Bett und roch an ihrem feuchten Haar. Sie liebte den Duft ihres Shampoos, Geißblatt und Jasmin, vermischt mit dem leichten Salzgeruch, der den ganzen Sommer an ihr haftete.
    Die Schritte ihrer Mutter näherten sich dem Treppenabsatz im zweiten Stock.
    »Daisy? Ah, gut – du hast gebadet«, sagte sie, als sie eintrat. Sie war im Morgenmantel, aber ihr Haar war schon trocken und in glänzenden schwarzen Wellen nach hinten gekämmt.
    »Gleich kommen die Gäste – du musst dich irgendwie beschäftigen, bis das Abendessen vorbei ist. Falls du rausgehen und spielen willst, bitte ich dich einzig und allein darum, nicht schon dein Kleid für heute Abend zu tragen. Die Mädchen müssten für euch Kinder Sandwiches gemacht haben, die solltet ihr in der Küche essen.«
    »Wo ist Ed?«
    »Keine Ahnung, mein Liebling. Aber ich möchte dich um einen Gefallen bitten. Hilf doch bitte Tante Helena beim Anziehen. Ich habe Daddy zur Unterstützung, aber vielleicht braucht deine Tante Hilfe beim Schmuckanlegen oder beim Frisieren. Machst du das?«
    »Ja, mache ich«, sagte Daisy, den Blick auf ihre Mutter gerichtet. Deren Verträumtheit schien sich verflüchtigt zu haben; sie war wieder ganz die Alte, forsch und geschäftsmäßig. »Wo ist Daddy jetzt?«
    »Er zieht sich um. So, jetzt lauf und hilf deiner Tante!«
    Daisy zog ihren Bademantel an und ging in den ersten Stock hinunter.
    »Tante Helena?« Sie klopfte. Als sie keine Antwort erhielt, drehte sie den Knauf und öffnete die Tür.
    Das Zimmer lag im vorderen Teil des Hauses, es war hell und geräumig. Das Tapetenmuster bestand aus großen Hüttensängern in goldenen Käfigen, die an blühenden Ranken hingen. Die gestreiften Polsterbezüge waren allerdings kaum zu sehen, weil über jedes Möbelstück achtlos hingeworfene Kleidungsstücke gebreitet waren. Auf dem Teppich lagen wie welkende Blumen Kleider, die Helena, nachdem sie aus ihnen herausgestiegen war, einfach an Ort und Stelle gelassen hatte. Die Fenster dahinter boten einen Ausblick auf den stillen, blauen Hafen.
    Tante Helena saß am Frisiertisch. Ihre Hände ruhten inmitten von Schminktiegeln und aufgedrehten Lippenstiften reglos auf der Glasplatte.
    »Tante Helena?« Daisy ging langsam zwischen den abgelegten Kleidern hindurch.
    »Ach, Daisy, meine Süße«, sagte ihre Tante, ohne sich umzudrehen. »Ich kriege einfach das Rouge nicht richtig hin.«
    Im Spiegel sah Daisy, dass ihre Tante sich zwei Streifen Rouge wie Striemen auf die Wangenknochen gemalt und halbherzig verrieben hatte. An den feinen blonden Härchen auf ihrer Oberlippe hingen glitzernde Schweißperlen.
    »Soll ich dir helfen? Mummy hat gesagt, du brauchst vielleicht ein bisschen Unterstützung.«
    »Das glaube ich gern.« In ihren weichen Stimmfall schlich sich etwas Hartes.
    »Ich kann das Rouge auftragen. Ich habe Mummy schon tausendmal dabei zugesehen.«
    »Ja, das wäre sehr, sehr lieb von dir.« Ihre Tante stieß einen Seufzer aus. »Danke, meine Süße, du bist ein Schatz.«
    Daisy entdeckte ein hingeworfenes Taschentuch zwischen all der Schminke, suchte eine saubere Stelle und tunkte sie in den Tiegel mit der Cold Cream.
    Sanft entfernte sie das Rouge aus dem Gesicht ihrer Tante und wischte die Cremereste ab.
    »So, und jetzt musst du die Wangen einsaugen«, erklärte sie.
    Ihre Tante warf ihr im Spiegel einen Blick zu und tat wie befohlen. Dann spitzte sie die Lippen und begann, wie ein Goldfisch zu schmatzen.
    Daisy musste lachen. »Nicht wie ein Fisch, Tante Helena!«
    »Ach wirklich?«, fragte ihre Tante mit gespieltem Erstaunen.
    »Hör auf«, rief Daisy kichernd.
    »Im ›Ladies’ Home Journal‹ machen sie es aber immer so.«
    »Stimmt doch gar nicht.« Daisy musste noch mehr lachen. »Du redest Unsinn.«
    »Ich und Unsinn? Nein, nein, meine liebe Daisy, das ist die neueste Mode. Goldfischglamour. Das ist der letzte Schrei, sag ich dir.«
    »Hör auf, Tante Helena!«
    »Gut, gut, jetzt bin ich wieder ernst.«
    Ihre Tante hörte

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