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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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(wenn es mir auch ein Rätsel war, wie ein Mann solch einen Gegenstand verschlucken konnte, es sei denn, daß ihm jemand, seine Frau oder sein Koch, Schaden zufügen wollte und ihn in einer Pastete versteckt hatte). Doch das bewahrte mich nicht vor anderen, kleineren Irrtümern und auch nicht davor, sehr vergeßlich und geistesabwesend zu werden, so daß ich in dieser Zeit nicht ein einziges Romméspiel gewann, meine Börse in einer Taverne verlor, mir mit einem Federkiel ins Auge stach, von Danseuse fiel, als sie wegen einer Taube auf der Straße scheute, einen Dienstagnachmittag versäumte (was mir eine kräftige Ohrfeige von Rosie Pierpoint einbrachte) und mit dieser, meiner Geschichte in Rückstand geriet – geradeso, als hätte ich endlich begriffen, daß eigentlich nicht ich deren Urheber war, sondern daß jede einzelne Wendung dem König zuzuschreiben war.
    Und wirklich spürte man in der nächsten Episode wieder deutlich seine lenkende Hand: Er lud mich zum Abendessen
ein! Er bestätigte weder meinen Brief, an dem ich so lange gefeilt hatte, noch ging er auf dessen Inhalt ein. Seine Nachricht war kurz und knapp und lautet wie folgt:
     
    »Merivel, speist doch am nächsten Sonntag mit Uns zu Abend. Wir erwarten Euch hier in Unseren Gemächern um neun Uhr.
    Charles Rex«
     
    Ich erhielt sie am Montag, dem 27. August, gegen zehn Uhr morgens. Als sie mir gebracht wurde, war ich gerade dabei, eine Oberschenkelwunde auszubrennen, und verbrannte mir in meiner Hast, das vertraute Siegel aufzubrechen, die Hand am Brenneisen. Nachdem ich sie gelesen hatte, war mein erster Gedanke der eines eitlen Mannes: Ich hatte nichts Passendes anzuziehen.
     
    Der Schneider, zu dem ich ging, war ein alter Freund meines Vaters. Ihm, nicht mir zuliebe, fertigte er den Anzug in fünf Tagen an. Als Material wählte ich Seide, als Farbe marineblau, mit cremefarbener Borte abgesetzt. Der Anzug war weder zu aufwendig noch zu bunt, und ich war mit meiner Wahl sehr zufrieden.
    Dann ging ich zu einem Schuhmacher und bestellte ein Paar Schuhe mit mäßig hohen Absätzen und Spangen aus Zinn, das poliert war, so daß es wie Silber aussah. Danach führte mich mein Weg zu einem Hutmacher in der Crofter Lane, bei dem ich einen schwarzen Hut mit zwei weichen blauen Federn bestellte.
    Als nächstes ging ich zu meinem Perückenmacher. Er sah mich lange an. Er hatte mich viele Monate nicht gesehen. »Sir Robert«, sagte er, »wenn ich nicht gewußt hätte, daß Ihr
es seid, dann hätte ich nicht gewußt, daß Ihr es seid.« Über diesen verwirrenden Satz mußte ich lachen, und an diesem Lachen erkannte er mich dann, denn er meinte: » Jetzt sehe ich, daß Ihr es seid. Jetzt sehe ich, daß Ihr Euch nicht ganz und gar verändert habt.«
    Er ist sehr dem Sherry zugetan. Er freut sich, wenn er sich und seinen Kunden ein paar ordentliche Schlückchen davon eingießen darf, während er ihre Köpfe vermißt und ihnen die verschiedenen Perückentypen und -qualitäten vorlegt. Also setzten wir uns zusammen in seinen Laden, und er sprach über die Welt (»Wenn die Welt auch manchen groß erscheinen mag, so ist sie in Wirklichkeit doch klein, nicht wahr, Sir Robert, denn eigentlich ist sie doch nicht größer als der Schatten, den Whitehall wirft, meint Ihr nicht auch?«) und darüber, wer jetzt in des Königs Gunst stand und wer nicht mehr und was in diesem Sommer Mode war. Ich erfuhr von ihm, daß der König eine neue Mätresse hatte, eine Mrs. Stewart, die alle anderen an Schönheit übertraf. »Und es heißt«, sagte der Perückenmacher, »daß diese neue Liebe seine alten Lieben, sogar Lady Castlemaine, aus seinem Denken verdrängt hat.«
    »Und meine Frau?«
    »Ach ja, Eure Frau, Sir Robert. Das ist ein Rätsel. Man hat sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen, und es wird nun geklatscht: ›Entweder ist sie im Bett, weil sie ein Kind erwartet, oder sie ist mit einem neuen Liebhaber im Bett, oder aber sie ist im Bett und weint‹; doch niemand scheint wirklich zu wissen, in welcher Art von Bett sie sich befindet!«
    Es war fast Abendessenszeit, als ich den Laden des Perückenmachers verließ; die heiße Sonne fing schon an unterzu
gehen. Ich lief langsam, Danseuse am Zaumzeug führend, nach Hause und mußte an die Worte von Sir Joshua Clemence denken, der gesagt hatte, daß er glaube, seine Tochter würde alles und jeden auf der Welt, auch ihre Mutter und ihren Vater hingeben, um die Liebe des Königs zu erringen. In der Erinnerung

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