Zeit der Sinnlichkeit
meinem Kopfe gedrängt worden sei.
Ich setzte ihr den Hut mit den Fasanenfedern wieder auf den entzückenden Kopf. Sie küßte mich liebevoll auf meine platte Nase und entfernte sich gehorsam. Ich wartete, bis ich ihre Kutsche in die Nacht hinausrumpeln hörte, und kehrte dann ins Speisezimmer zurück. Die Aalpastete war inzwischen abgetragen worden, und die Tauben wurden serviert. Celia saß aufrecht und still da und nippte an ihrem Wein.
»Ich muß mich für die unerwartete Unterbrechung entschuldigen«, sagte ich. »Aber bitte, fangt doch mit den Tauben an.«
»Danke«, sagte Celia. »Euer Koch ist jedenfalls erstklassig. Sagt, Merivel, habt Ihr Mätressen?«
»Natürlich«, erwiderte ich, »ich bin ein Mann meiner Zeit.«
»Und ist diese Frau eine davon?«
»Ja. Sie heißt Lady Bathurst.«
»Liebt Ihr sie?«
»Ach«, sagte ich, »dieses Wort, das wir so oft auf den Lippen führen!«
»Nun?«
»Nein, Celia, ich liebe sie nicht. Jetzt sagt mir bitte: Wie findet Ihr Cattleburys Madeirasauce?«
Celia erwiderte, daß sie ganz ausgezeichnet sei. Meine unerwarteten Anstrengungen mit Violet hatten in mir einen Bärenhunger erweckt, und ich machte mich mit etwas unschicklicher Hast über mehrere Tauben her. Als ich mir gerade in Erwartung der Wachteln den Mund abwischte, hörte
ich das unverkennbare Geräusch eines Pferdes, das rasch die Auffahrt heraufgaloppiert kam. Gleich darauf – uns wurden gerade die Wachteln vorgelegt – wurde die Tür des Speisezimmers erneut aufgerissen, und Will Gates kam hereingestürzt.
»Ein Brief, Sir!« rief er aufgeregt. »Soeben aus London eingetroffen.«
»Schon gut, Will. Das ist doch kein Grund für solche Eile. Gib ihn mir!«
Er überreichte mir den Brief. Er blickte darauf, und ich blickte darauf. Wegen des unverkennbaren Siegels wußten wir beide, daß der Brief, der in dieser ungewöhnlichen Nacht eingetroffen war, vom König stammte.
Dieser Brief ist noch immer in meinem Besitz.
Er lautet wie folgt:
»Merivel, Unserem lieben Narren senden Wir Grüße.
Bitte seid so gut und besucht Uns in Unserem Heilkräutergarten um acht Uhr vormittags, am Freitag, dem zehnten Dezember, in diesem vierten Jahr Unserer Regentschaft, 1664.
Diese Aufforderung kommt von Eurem Einzigen Herrscher und Treuen Diener Gottes,
Charles Rex«
Ich ritt durch die Nacht, erst auf Danseuse bis Newmarket, dort tauschte ich das Pferd aus, ein weiteres Mal in Royston. Will Gates hatte mich gebeten, ihn als Begleitung mitzunehmen, wahrscheinlich, weil er befürchtete, daß ich in meinem Drang, möglichst schnell nach London zu kommen, in einem Graben landen und dort unbeweint sterben würde. Ich lehnte jedoch ab. »Die Sterne«, sagte ich (wobei ich, ich weiß nicht warum, einen flüchtigen Anfall Pearcescher Romantik
hatte), »werden mich begleiten, und auch die Dunkelheit wird um mich sein!«
Ich hatte vorausgesehen – was sich als zutreffend erwies –, daß meine Seele auf dieser Reise meinem Körper weit vorauseilen würde, so daß ich sie nur durch lauten Zuruf würde im Zaum halten können. Es kümmerte mich nicht, irgendeinen armen Freihäusler unter seiner niederen Dachtraufe mit meinem Singen und Schreien in der Dezembernacht aufzuwecken, doch ich zog es vor, dieses lärmende Abenteuer allein zu unternehmen und Will zurückzulassen, damit er ein Auge auf den Reifrock haben konnte, falls diese Person sich während meiner Abwesenheit unterstehen sollte, meine Bilder zu verbrennen, meinen Vogel zu quälen, auf meiner Oboe zu spielen oder sonst etwas anzustellen. Als ich mich auf den Weg machte, weinte Celia. Ohne Zweifel schmerzte es sie, oder vielmehr erschreckte es sie über alle Maßen, daß der König mich, und nicht sie, kommen ließ. Sie würde mir, sagte sie kläglich, eine Nachricht mitgeben, eine Bitte, aber sie wußte nicht, welche Worte sie wählen sollte. Und ich konnte keinen Augenblick verweilen, nicht einmal, um mein Abendessen zu beenden oder meine Perücke zu pudern. »Wenn ich mich nicht sofort in den Sattel schwinge«, sagte ich zu Celia, »erreiche ich London nicht bis zum Morgen, und Ihr wißt so gut wie ich, daß Seine Majestät nicht auf mich warten wird, wenn ich nicht zur festgesetzten Zeit zur Stelle bin. Er erwartet von seinen Untertanen nicht nur strikte Loyalität, sondern auch absolute Pünktlichkeit. Das Stehlen seiner Zeit betrachtet er als Treuebruch. Der allererste Gegenstand, den er mir gezeigt hat, Celia, war eine Uhr.«
So galoppierte
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