Zeit der Sinnlichkeit
darauf kein Wort gesagt, denn ich lasse mich von keinem meiner Untertanen so herumkommandieren. Ich wies sie lediglich an, ihr Haus in Kew zu räumen, nur ihre Kleider und Juwelen mitzunehmen, sofort zu Euch zu reisen und so lange dortzubleiben, bis sie ihr törichtes, unverschämtes Verhalten einsieht und bereut.«
Der König erhebt sich von seinem Schemel und geht wieder auf und ab, wobei er an seinen Gemischen herumstubst und sie neugierig beäugt. Ich sehe das Zucken auf seiner Wange, ein Tick, der immer nur bei Ärger auftritt. Ich sage nichts, sondern nicke nur. Nach einer kurzen Weile ergreift der König einen großen Stößel, mit dem er seine folgenden Worte unterstreicht:
»Doch leider, Merivel, fehlt sie mir! Wenn ich auch das dumme Mädchen auspeitschen möchte, so reagiert doch ein primitiver Teil meines Ichs ausgesprochen empfindlich auf ihre Abwesenheit. Was für ein Elend! Mein Verstand sagt mir, daß ich sie für immer aufgeben muß, aber dieses hier, das königliche Ding, flattert hierhin und dorthin, auf der Suche nach ihr. Und das Leben ist kurz, Merivel. Auch an das
Vergnügen sollten wir, wie an alle Dinge, mit Energie und Entschiedenheit herangehen, eine Gabe, die Ihr einstmals, wenn ich so zurückdenke, geradezu im Übermaß besaßt.«
»Ich würde sie auch jetzt noch besitzen, Sir, wenn mein Denken nicht –«
»Dann geht jetzt mit dieser Entschiedenheit an meine Angelegenheit heran. Macht Celia klar, daß ihre Forderungen töricht sind. Erinnert sie daran, wie sehr mir an der gesellschaftlichen Ordnung liegt und wie sehr ich diejenigen verabscheue, die höher hinauswollen. Bringt ihr bei, mit dem zufrieden zu sein, was sie hat – denn sie hat viel –, und heißt sie, niemals mehr zu erhoffen. Sagt ihr, sie solle in Demut zu mir kommen, dann könne sie alles wiederhaben: ihr Haus, ihre Diener, ihr Geld und von Zeit zu Zeit den König in ihrem Bett.«
Da mir diese Rolle als Bote mißfällt, will ich gerade sagen, daß es zwischen Celia und mir kaum Gespräche gegeben hat und daß ich fürchte, ihre Abneigung gegen mich könne sich bei meinen Bemühungen, ihr seine Ansichten zu übermitteln, nur als hinderlich erweisen, als der König meine Hand ergreift und erklärt: »Genug davon. Ich überlasse alles Euch. Kommt jetzt, Merivel, ich werde Euch nun einen Becher Wein einschenken, und in den Wein geben wir einen oder zwei meiner Tropfen!«
Sein Zorn ist so schnell verflogen, wie er gekommen ist. Er lacht beim Einschenken und Abmessen leise vor sich hin. Ich blicke auf seine Hände, sehe dann das Lächeln auf seinen Lippen, das mir so teuer ist. Plötzlich bin ich davon überzeugt, daß der König mir keinen Schaden zufügen will, ganz gleich, was in diesem Trank ist.
Ich trinke einen Schluck Wein. Der König ist heiter und erfreut und klopft sich auf die Schenkel.
»Gut!« sagt er. »Und nun fangen wir mit der Kröte an.«
Ich komme zu der Überzeugung, daß es keinen Zweck hat, König Charles daran zu erinnern, daß ich seit vielen, vielen Monaten kein Skalpell und keine Kanüle mehr in der Hand gehabt habe und daß ich meine Sezierkenntnisse willentlich dem Vergessen anheimgegeben habe. Außerdem spüre ich, daß er darauf erpicht ist, die Kröte selbst zu anatomieren, so daß er mir die Geschicklichkeit seiner langen Finger, die Ordentlichkeit und Sorgfalt seiner Arbeit vorführen kann. So sage ich nichts, als Seine Majestät die Kröte aus dem Kugelglas nimmt, sie auf das Tablett legt und sich die Ärmel hochkrempelt. Ich sehe nur zu und fühle dabei ein unerklärliches, heftiges Glücksgefühl in mir aufsteigen, wie ich es seit jenen weit zurückliegenden Tagen mit Rosie Pierpoint, Tennisstunden, Romméspielen und dem Tafelservietten-Geschenk nicht mehr gekannt habe.
Der König schneidet die weißliche Haut des Krötenbauchs auf, zieht sie zurück und steckt sie fest.
»Der Darm«, sagt er, als er den ersten Einschnitt ins Fleisch macht, »schimmert wie Juwelen, wie wir gleich sehen werden …«
Trotz seiner Sorgfalt quellen die Eingeweide hervor, so daß ihre genaue Anordnung für unser Auge verloren ist. Über die Zeiten hinweg höre ich das Knurren von Fabricius an meinem Ohr: »Verheddert Euch nicht in den Gedärmen, Merivel! Ihr seid kein Laokoon!«
»Ah!« sagt der König. »Seht Ihr die Farbe?«
Ich blicke auf die Eingeweide der Kröte und sehe, daß die weichen Windungen eine silbrige Patina haben. Doch ich bin ein wenig abgelenkt, denn das Wort »Farbe« hat
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