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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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doppelten Fahrpreis an, nämlich statt der zwei vier Shilling. Ich machte es mir unter dem kleinen Schutzdach bequem, und wir fuhren mit der Abendflut hinaus.
    Warum wollte ich nach Kew fahren? Ich wußte, daß ich nun, da die Wirkung der Tropfen ganz verflogen war und ich wieder klar denken konnte, den Worten des Königs im Hinblick auf Celia ein wenig Aufmerksamkeit schenken mußte. Aus mir nicht ganz erklärlichen Gründen fühlte ich mich ausgesprochen unbehaglich mit der Nachricht, die ich überbringen sollte. Etwas in mir wollte gern, zum ersten Mal in meinem Leben, dem König den Gehorsam verweigern. Warum? Ich wußte es wirklich nicht. Weit davon entfernt, mich aller Hoffnung zu berauben, hatten die Ereignisse des Morgens mir vielmehr bewiesen, daß der König immer noch Zuneigung für mich empfand. Doch was er zu mir, mit dem Stößel gestikulierend, über Celia gesagt hatte, konnte in mir nur den Eindruck erwecken, daß er meine Frau zwar begehrte, aber ansonsten keinerlei Gefühle für sie hegte und sein ruheloser Geist ihrer bald wieder überdrüssig werden würde. So glaube ich, daß ich in der Hoffnung nach Kew fuhr, von dem Haus, das er ihr geschenkt hatte (wenn ich auch wußte, daß es im Dunkeln, mit geschlossenen Fensterläden, daliegen wür
de), die Stärke seiner Liebe ablesen zu können, um dann, je nachdem, wie sehr sich die Waage neigte, über die Nachricht zu entscheiden, die ich heim nach Bidnold bringen würde. Ich räume gern ein, daß die Vorstellung, man könne sich ein Bild von der Liebe eines Menschen zu einem anderen machen, indem man im Mondlicht von einem Boot aus einen Blick auf ein Haus wirft, grotesk ist. Und doch gibt es keine andere Erklärung für diese Fahrt, die mir auf einmal so sehr am Herzen lag. Liebte der König Celia oder liebte er sie nicht? Begleitet von dem Fuchs und einer leichten Brise, die mein Jabot zerzauste und mein heißes Gesicht kühlte, glaubte ich, der Antwort näherzukommen.
    Nachdem sich der Fuchs nun mit seiner Aufgabe abgefunden hatte, ruderte er kräftig und zügig. Er wickelte sich ein fadenscheiniges Tuch um den Hals, um seine dürre Kehle vor der einbrechenden Nacht zu schützen, und brachte mich rasch voran. Wir passierten den Tempel mit dem Torbogen, dann das belebte Whitehall, wo in fast allen Gemächern Licht zu brennen schien und meine Ohren für einen flüchtigen Augenblick den Klang einer Oboe einfingen.
    Im weiteren Umkreis von Whitehall war auf dem Fluß auch zu dieser Abendstunde noch viel Lärm: Von den zahlreichen Booten klatschte das Wasser gegen die Landungsstege, und die barschen Rufe der Kahnführer »An die Ruder!« ließen mich an das Gebell eines Ausbilders denken, der versuchte, einen unordentlichen Zug von Gecken in so etwas wie einer Reihe antreten zu lassen.
    Hinter Westminster, wo die Themse eine Biegung nach Süden macht, wurde es ruhiger, und ich sah auf der linken Seite die dunkle Masse der Vauxhall-Wälder auftauchen, wohin meine Eltern mich, das Engelskind in dem kleinen Moiré
anzug, gern zu Picknicks und auf Wanderungen mitgenommen hatten. Ich erinnere mich noch, wie mein Vater flüsterte: »Wenn du leise bist, Robert, treffen wir gleich auf eine Dachsfamilie.« Aber ich war wohl nie leise genug, denn ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben einen Dachs gesehen zu haben, bevor einer zum Sezierraum des Caius gebracht wurde, wo ich dann endlich die clownartigen Züge dieses Tieres sehen konnte, das meinen Vater so beschäftigt hatte.
    »Sagt«, wandte ich mich an den Fuchs, »gibt es in diesen Wäldern noch Dachse?«
    »Ja, Sir«, antwortete der Fuchs, »ich habe gehört, daß man dort welche sehen kann. Wenn man leise ist.«
    Ich sagte nichts weiter dazu, doch als wir weiter Richtung Chelsea übers Wasser glitten, begann ich mich zu fragen, warum ich Lärm so sehr liebe. Selbst disharmonische Klänge (mein eigener Gesang und meine ersten Mißerfolge mit Alle Schwäne schwimmen nun ) und sinnlose Geräusche (das verrückte Gerede des alten Bathurst) erfreuen ganz eindeutig mein Herz. Obwohl ich als Medizinstudent wußte, daß man Ruhe zum Lernen brauchte, habe ich doch manche Tage und Nächte unter ihr gelitten. Bei meinem Tod würde ich gern von einer hüpfenden Volkstanzgruppe zur letzten Ruhe gebettet werden.
    Der Mond war nun aufgegangen und stand fast voll am Himmel; in seinem Licht umfuhren wir die Biegung zu den Chiswick Meadows. Kurz vor Kew wandte ich mich an den Fuchs und fragte diese alte

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