Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
ohnegleichen, der niemals Gefahr lief, sich zu irren.
    Als die Morgendämmerung hereinbrach und ich meinem schniefenden Ich eine Stunde wohltuenden Schlafs gönnte, hatte ich folgendes beschlossen:
    Ich würde zu Celia zurückkehren und ihr mitteilen, daß der König sie offensichtlich vergessen habe, daß mir Gerüchte zu Ohren gekommen seien, eine neue Mätresse wohne jetzt auf Kew, daß er mir gegenüber sehr entschieden sein Mißfallen über ihr unverschämtes Benehmen ausgedrückt und keinerlei Andeutung gemacht habe, daß er sie jemals zurückrufen werde. Dann würde ich sie – genauso wie Pearce es mir gegenüber getan hatte – darüber belehren, wie töricht es war zu hoffen. »Wenn Ihr Euch erlaubt zu hoffen«, würde ich zu ihr sagen, »so werdet Ihr am Ende krank am Geiste, Celia, und dann weiß ich nicht, was aus Euch wird. Vielleicht werdet Ihr wie die arme Ophelia enden und in einem Fluß ertrinken.« Und dann würde ich ihr erklären, daß ich endlich verstanden hätte, aus welchem Stoff der König war: »Er ist Quecksilber«, würde ich sagen. »Er ist aus ebendem Metall, das er dem Zinnober in seinen Glaskolben entziehen will –
Stunde um Stunde bemüht er sich in seinem Laboratorium darum –, das aber schwer faßbar und ruhelos ist und weder fixiert noch gehalten werden kann. Und wie kann es irgendeinem Mann oder irgendeiner Frau zuträglich sein, Quecksilber zu lieben?«
    Ich konnte aber noch nicht sehen, wie ich ein Heilmittel gegen Celias Kummer finden sollte. Ich fühlte mich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Ich war nicht Fabricius. Ich war nicht einmal Pearce. Ich hatte keine Weisheit.
     
    Mein Fieber ging zweifellos auf die extremen Hitze- und Kälteschwankungen zurück, denen nicht nur mein Körper, sondern auch mein Gemüt in der Nacht und am Tage zuvor ausgesetzt gewesen waren. Es zwang mich für eine ganze Woche an das Rollbett im »Old House«.
    Als das Fieber schlimmer wurde und ich in meiner Leistenbeuge und am Hals leichte Schwellungen entdeckte, machte sich Entsetzen in mir breit. Die Pest war im Anzug, und wo würde sie eher hinkommen als zu den übelriechenden Lambeth-Sümpfen? Mehr als fünfzig Stunden lang glaubte ich, im Sterben zu liegen. Ich weinte und schrie. Ich beschwor meine arme verbrannte Mutter, sich bei Gott für mich zu verwenden, da ich wußte, daß meine eigenen Gebete ungehört blieben. »Liebe Eltern«, hörte ich mich im Delirium sagen, »schenkt Gott einen Hut. Er liebt Federn. Gebt Ihm für mein Leben einen schönen Hut mit Federn!« Ich redete wirres Zeug und flennte vor mich hin. Meine Feigheit war so grenzenlos wie ein von Norfolk nach Tschengtschau gegrabener Brunnenschacht.
    Am dritten Tag ließ das Fieber nach, und die Schwellungen gingen langsam zurück. Der armen Bedienung, die mir
Suppe brachte, erklärte ich, daß ich wiederauferstanden sei, eine Bemerkung, die sie als eine ausgemachte Gotteslästerung ansah, so daß sie vor ihrem Busen schnell das Kreuzzeichen machte.
     
    Noch etwas schwach von meiner Krankheit, nahm ich eine Postkutsche nach Newmarket und verbrachte dort die Nacht. In der Dämmerung des darauffolgenden Morgens wurde ich mit Danseuse wiedervereint. Das Freudengewieher, mit dem mich die Stute begrüßte, erfreute mich sehr. Ich habe Tiere sehr gern. Ich mag an ihnen sowohl ihre gefälligen als auch ihre derberen Seiten. Und daß sie keine Komplotte schmieden. In diesem ungestümen Königreich sind doch alle Männer, Frauen und Kinder voller Intrige, bei den Vierbeinern und Vögeln aber gibt es nicht einen faulen Trick. Ich vermute, daß dies auch der Grund ist, weshalb der König so sehr an seinen Hunden hängt.
    Danseuse galoppierte wie ein Streitwagenpferd nach Hause, wobei ihr Feuer jetzt auf dem Rückweg das meine bei weitem übertraf. Obwohl ich mich an die Zügel klammerte und ihr meine Knie inbrünstig in die Flanken preßte, warf sie mich bei Flixton ab, und als ich außer Atem im Graben lag, bemerkte ich nicht weit von mir eine alte, runzlige Frau, die ihre Rupfenröcke hochgehoben hatte und auf die Brombeersträucher pißte. Das belustigte mich, und ich hätte ihr einen guten Tag gewünscht, wenn mir die Luft nicht schon ausgegangen wäre.
    Schließlich raffte ich mich wieder auf und bestieg von neuem Danseuse, die auf dem frostigen Weg nach Gras zum Fressen suchte. Ich versuchte, sie zu überreden, eine Weile gemächlich dahinzutraben, aber sie war dazu nicht bereit, und
so kamen wir unziemlich in Schweiß gebadet

Weitere Kostenlose Bücher