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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ist.«
    Celia starrte mich ganz und gar ungläubig an. »›Für die Veränderlichkeit aller Dinge‹? Und warum, bitte sehr, soll ich das anstreben?«
    »Ich weiß es nicht, Celia«, erwiderte ich. »Seine Majestät hat nur gesagt, er wünsche, daß Ihr das lernt, doch er glaubt, daß das seine Zeit brauchen wird, da eine solche Einsicht wohl um so schwerer Wurzeln schlägt, je jünger ein Mensch ist.«
    »Hatte der König denn nicht schon dadurch, daß er mich so grausam verstieß, dafür gesorgt«, erwiderte Celia scharf, »daß mir diese Einsicht höchst unsanft aufgezwungen wurde?«
    »In der Tat«, wagte ich zu äußern, »aber er ist viel weiser als Ihr und ich, Celia, und er weiß, daß man zwar immer etwas in Zeiten des Unglücks oder Verlustes lernt, jedoch aus dem Erlernten erst dann richtigen Nutzen ziehen kann, wenn man nach dem Ereignis in Ruhe darüber nachdenkt.«
    »Aber wie lange soll dieses ›ruhige Nachdenken‹ dauern? Soll ich über diesem ›ruhigen Nachdenken‹ alt werden und sehen, wie meine Schönheit dahinschwindet und alles, was ihm einst gefallen hat, verblüht?«
    »Nein. Ich bin sicher, daß er das nicht will.«
    »Wie lange soll es dauern, Wochen, Monate …?«
    »Er wollte es mir nicht sagen, Celia.«
    »Warum? Warum wollte er es Euch nicht sagen?«
    »Weil er es nicht sagen kann. Er hat es in Eure Hände gelegt und in meine.«
    »In Eure?«
    »Ja. Denn ich bin derjenige, der ihm sagen soll – nach seinen eigenen Worten –, ›wenn sie weise geworden ist und alle Illusionen abgelegt hat‹.«
    »So!« Und damit zog Celia ihre Hand heftig von meinem Arm zurück. » Ihr sollt der Richter sein! Der König sendet einen Narren, um in einer Angelegenheit des Lernens zu entscheiden! Möge er mir vergeben, Merivel, aber das kann ich nicht gerecht finden!«
    »Nein. Ganz bestimmt nicht. Und doch sehe ich eine gewisse Gerechtigkeit darin. Denn ich bin nicht, wie das vielleicht bei einem anderen Beschützer der Fall wäre, in meine
Rolle verliebt, denn ich fühle mich ihrer ganz und gar nicht würdig. Es liegt daher in meinem Interesse, daß Ihr Euch möglichst schnell auf die Reise ins Land des Wissens macht, Celia, damit ich mein Leben als Narr wieder aufnehmen kann, Ihr zu Eurem Haus in Kew zurückkehren könnt und der König wieder in Euer Bett kommt.«
    »Aber wie soll ich zu dieser Weisheit gelangen? Auf welche Weise soll ich mich auf die ›Reise‹ dorthin begeben?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht mittels Eurer einzigartigen Gabe – Eurem Gesang.«
    »Mit meinem Gesang?«
    »Ja.«
    »Aber wie?«
    »Ich weiß es nicht. Ich kann nur annehmen, daß dies Euer Weg sein muß. Ich selbst komme in meiner mittelmäßigen Art durch meine Malversuche immer wieder zu Fehleinschätzungen meiner eigenen Person und der Welt. Doch glaube ich sagen zu können, daß Ihr, wenn Ihr, sagen wir, von Liebe und Verrat oder was weiß ich wovon singt, nicht nur etwas über diese Dinge lernt, sondern auch darüber, auf welch mannigfaltige Art sich Männer und Frauen selbst etwas vormachen und welche Listen sie anwenden, um über das Schicksal anderer zu bestimmen. Und so hat dann Eure Reise schon begonnen …«
    Celia sah alles andere als erfreut über meinen Vorschlag aus. Sie zog ihren Mantel fester um sich, schüttelte den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Wenn er etwas Praktisches von mir verlangt hätte, ich hätte es getan«, sagte sie. »Aber wie kann ich einem Befehl gehorchen, den ich nicht ganz verstehe? Wie kann ich ihm je gerecht werden?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich zum dritten oder vierten Mal. »Ich bin mir jedoch sicher, daß Ihr einen Weg finden werdet, und zwar durch die Musik. Und ich will alles in meiner Macht Stehende tun, um Euch zu helfen.«
     
    Da Celia und der Reifrock an diesem Abend nicht geruhten, das Rosenzimmer zu verlassen, speiste ich nur mit Sir Joshua Clemence, einem Mann, der mich mit stets gleichbleibender, großer Höflichkeit behandelte und den ich ohne Vorbehalt respektierte. Zu meiner Freude erzählte er mir, daß ihn die Inneneinrichtung von Bidnold ergötze, daß er sie zwar nicht gerade wohltuend finde, sie ihm aber zeige, daß ich »eine höchst auffällige geistige Originalität« besitze, »in einer Zeit sklavischer Nachahmung und Nachäfferei«.
    Bei einer gutgewürzten, von Cattlebury zubereiteten Schweinekarbonade kam er dann auf seine Tochter zu sprechen. Er teilte mir mit (als ob ich das nicht schon längst wüßte!), daß

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