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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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Schultern herabhängen, wobei sie die Arme des Trägers freilassen für all die Aufgaben, die seine jeweilige Stellung im Leben erfordert, aber den Rumpf schön warm halten«.
    Trench, der alt und pedantisch war und gewöhnlich Hermelinumhänge und dergleichen anfertigte, plagte mich mit weitschweifigen Briefen, in denen er um exakte Angaben über die Art und Anzahl der zu verwendenden Pelze bat, wissen wollte, in welcher Farbe und Qualität die Seide oder der Satin des Futters sein sollte, und darüber hinaus vorschlug, daß ich mit meinem Personal zur Einzelanprobe nach London komme.
    Ich war sehr verärgert über die Verzögerung, konnte mich Trench gegenüber aber nicht unhöflich benehmen, da er ein geschätzter Freund meines Vaters gewesen war. Daher beschloß ich, die Angelegenheit zu vereinfachen. Ich wies Trench an, nur Dachsfelle zu verwenden und die Überwürfe nicht mit Seide oder Satin zu füttern, sondern mit einem kräftigen Wollstoff, »so wie ihn auch meine Stallburschen und Küchenjungen tragen können«. Die Überwürfe sollten ganz schön
teuer werden, doch die Russen waren in meiner Vorstellung so lebendig geworden, daß ich zu der Überzeugung gekommen war, daß zumindest ich den Winter nicht ohne diese seltsame Pelzbekleidung überleben würde. Außerdem entzückte mich der Gedanke, daß wir alle im Dachskleid auf den Frühling warten würden. Man würde mich nicht mehr ermahnen, leise zu sein, wenn ich einen Dachs in den Wäldern von Vauxhall sehen wollte. Ich würde selber ein Dachs werden.
    In der Zwischenzeit warteten wir. Im Brunnen bildete sich Eis, und der verheerende Frost machte die Dachziegel rissig. Ein Schornsteinkopf kam vom Dach heruntergesegelt und köpfte ein Perlhuhn. »Wie langsam, wie schrecklich langsam doch die Zeit vergeht«, sagte Celia und wärmte sich die Hände am Kamin. »Wie soll ich das nur aushalten?«
    Wirklich waren sich die Tage alle ähnlich. Morgens überredete ich Celia, in mein Musikzimmer zu kommen und zu singen. Ich übte jetzt zehnmal soviel auf der Oboe. Ich stand schon im Morgengrauen auf, im eiskalten Dunkel, holte mein Instrument und mühte mich mit Tonleitern und Arpeggios ab, bis die Sonne langsam aufging, aber dennoch gelang es mir nicht, Celia mit einer gewissen Souveränität zu begleiten, und wenn ich es einmal versuchte, hörte sie sofort auf zu singen und sagte, ich solle mir keine Mühe machen. So gab es natürlich nicht das Duett meiner Phantasie, sondern einzig und allein Celias Gesang. Sie sang von verlorener Liebe, während ich in meinem Sessel saß, auf ihren weißen Hals starrte und mich fragte, ob die Zeit oder ein Zufall oder »die Veränderlichkeit aller Dinge« es mir jemals gestatten würden, meine Lippen zärtlich daraufzupressen.
    Mittags speiste ich dann mit Celia, aber diese Mahlzeiten wurden mir langsam lästig, da ständig der Reifrock dabei
war, der von Tag zu Tag abstoßender und häßlicher wurde, von dem sich Celia aber nur selten trennen ließ.
    Wenn das Wetter nachmittags schön war, ritt ich in den Park hinaus und trieb Danseuse zu ihrem eleganten Galopp an. Celias kleiner Hund Isabelle, den auszuführen man ihr ja nicht zumuten konnte, lief ein Stück mit und schnappte nach unseren Beinen. Wenn er dann nicht mehr mitkam, kehrte er um und trottete heim zu seiner Herrin, die träumend in ihrem Zimmer am Kamin saß und Gedichte von Dryden las oder mit ihrer ewigen petit-point -Stickerei beschäftigt war.
    Ohne Zweifel verzehrte sich Celia. Mir gegenüber war sie höflich, weil sie glaubte, daß der König mich zu ihrem Aufseher gemacht hatte. Von meinem Bericht über sie hing ihre Rückkehr nach London ab – so oder so ähnlich verstand sie es. Aber ich wußte, was ich für sie war: Ich war eine Strafe, die sie auf sich nehmen mußte. Ich ging ihr genauso auf die Nerven wie mein Oboespiel, und sie fand mich genauso häßlich und disharmonisch. Ich sah nun, daß der Gedanke, sie könnte mich einmal lieben oder achten, völlig absurd war. Ich war nahe daran, mein Spielchen, sie über den vom König festgelegten Zeitpunkt auf Bidnold im unklaren zu halten, aufzugeben, als es zu einem höchst merkwürdigen Zwischenfall kam.
    Ich hatte den Abend in meinem Studio mit Versuchen verbracht, eine Kohlezeichnung der Russen meiner wenig verläßlichen Phantasie anzufertigen. Schließlich, gegen Mitternacht, gab ich meine hoffnungslosen Klecksereien und Kritzeleien auf. Ich entkleidete mich, zog mein wärmstes Nachthemd an, setzte

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