Zeit der Sinnlichkeit
deswegen rügen kann, sieht er mich mit seinen verhangenen braunen Augen an und sagt: »Wie ich höre, ist Eure Frau sehr schön.«
Ich blicke rasch zu Violet hinüber, um zu sehen, ob die Worte »Eure Frau« (deren Erwähnung sie immer so zornig macht)
ihr Ohr erreicht haben, aber sie ist nicht an ihrem Platz. Sie ist aufgestanden und versucht, Bathursts Hengst festzuhalten, dessen Augen wild und weiß sind und der so aussieht, als würde er sich gleich aufbäumen oder durchgehen.
In dem Bewußtsein, daß es nur an dem vielen Wein, den ich getrunken habe, liegen kann, daß ich mir keine Sorgen mache, plötzlich zu Tode getrampelt zu werden, wende ich meine Aufmerksamkeit wieder Pinworth zu. »Ja«, sage ich. »Celia ist eine sehr hübsche Frau.«
»Doch ich habe auch gehört«, sagt Pinworth, »daß sie Euch nicht an sich heranläßt!«
In diesem Augenblick gelingt es Violet, das Pferd hinauszuführen; Bathurst ist mittlerweile so betrunken, daß er als schlaffer Haufen auf ihm hängt, und so hören die Gäste nun mit dem Klatschen und Stampfen auf und wenden ihre Aufmerksamkeit auf der Suche nach neuer Zerstreuung mir und meiner Rolle als Hahnrei zu, die im ganzen Land bekannt und ein Gegenstand zu sein scheint, der ebensooft ans Tageslicht gezerrt wird wie Lady Winchelseas Brustwarzen.
Ich werde mit Fragen bombardiert. Selbst Lady Winchelseas alter Nachbar nimmt so lange seine Augen von ihr, daß er mich fragen kann: »Wie findet Ihr es denn, daß Ihr aus ihrem Schlafzimmer ausgeschlossen werdet?« Ich will antworten, daß ich daran keinen Gedanken verschwende, aber ich scheine gar nichts sagen zu dürfen, sondern soll wohl nur als Zielscheibe für ihren Spott und ihre Fragen dienen. Wie es so meine Art ist, lächle ich gutmütig. Als man zu mir sagt, daß ich mich gut als Figur für ein Theaterstück mit dem Titel Der Herr, der sich gerne betrügen ließ eignen würde, schlage ich mir schallend lachend und zustimmend auf die Schenkel. »Ich würde es sehr schmeichelhaft finden, mich in einem
Theaterstück dargestellt zu sehen!« höre ich mich sagen, aber in Wirklichkeit hat meine gute Laune, obwohl ich so betrunken bin und obwohl ich so darauf erpicht war, ein überschwengliches Fest zu feiern, plötzlich einen Kratzer bekommen. Ich weiß, daß ich der einzige bin, der so empfindet. Noch immer grinsend, schaue ich von einem Gesicht zum andern. Und ich sehe und höre das Mitleid hinter all dem Lächeln und Gelächter.
Später in der Nacht, während die Diener sich abmühen, die Halle wieder in Ordnung zu bringen, die ganz schrecklich von verschüttetem Wein, Erbrochenem und den Ausscheidungen des Pferdes überflutet ist, werde ich zu Violets Satinbett halb geschoben, halb getragen. Erregt von dem Erfolg ihres Festes, ist sie voller Leidenschaft und Liebeshunger. Ihre Hände erforschen mich. Ich fühle die Berührung ihrer Brüste auf meinen Nachtfaltern. Ich schaue auf ihren Körper hinunter, dessen Stärke mich so oft schon seltsam erregt hat, fühle mich jedoch eigenartig taub, so, als sei mein eigener Körper von einer Art Lähmung geschwächt.
»Violet«, flüstere ich. »Ich habe zuviel getrunken, ich muß schlafen.«
»Nein, das darfst du nicht«, sagt Violet, »noch nicht.«
Und sie fängt mit großem Eifer an, an mir herumzumachen. Nach einiger Zeit bin ich steif genug, um von ihr, wenn auch etwas schwach, Besitz nehmen zu können, aber leider ist mein Herz nicht dabei, und ich werde gleich wieder schlaff, wodurch ich Violet in schrecklichen Zorn versetze. »Was ist mit dir los, Merivel?« verlangt sie zu wissen. »Was um alles in der Welt ist mit dir nicht in Ordnung?«
»Ich bin nicht ich selbst, Violet«, murmle ich.
»Das ist offensichtlich. Aber warum, bitte?«
»Der Wein …«
»Unsinn, Robert. Wir beide sind schon oft betrunken gewesen.«
»Es muß der Wein sein …«
Violet müht sich noch einmal mit mir ab, doch mir ist jetzt klar, daß es nicht der Champagner allein ist, der mich zu einem so schlechten Liebhaber gemacht hat. Noch etwas anderes setzt mir zu. Zum einen wohl die Erkenntnis, daß ich bei Essen und Abendgesellschaften in London und sonstwo als Zielscheibe des Mitleids diene. Ich glaube jedoch, daß ich das mit innerer Kraft und guter Laune hätte ertragen können, wenn mir nicht der Gedanke gekommen wäre, daß ich, was meine Beziehung zu Celia anging, Grund hatte, mich selbst zu bemitleiden. Armer Merivel, lamentiere ich, er hat die Frau mit der schönsten
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