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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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kann.«
    Sackpole zog ein leicht angeschmutztes Taschentuch aus seinem Ärmel und schneuzte sich. Da ich noch immer nicht wußte, welche Rolle ich in dieser Geschichte spielen sollte, wartete ich, bis er seine Nase gereinigt hatte, und bat ihn dann fortzufahren.
    »Nun«, sagte er, »kommen wir zu der Sache mit Sarah Hodge. Sie war, wie ich Euch schon erzählte, ein junges Mädchen, das noch ihr ganzes Leben vor sich hatte. Dennoch war sie in eine dumpfe Melancholie gefallen, die davon herrührte, wie einige meinen, daß sie sich ihr Haar abgeschnitten hatte – das von einem tiefen Kastanienbraun gewesen war –, um es für ein paar Shilling an einen Perückenmacher zu verkaufen. Ich kann nicht sagen, Sir Robert, ob es möglich ist, daß eine junge Frau so um den Verlust ihrer Haare trauert, daß sie zwei Monate oder länger deswegen weint; fest steht indessen, daß sie weinte, nichts mehr aß, dünn und schwach wurde und erklärte, alles zu verabscheuen.
    Ihre Eltern sind arme, ungebildete Häusler und wußten nicht, wie sie ihr helfen sollten. Schließlich schickten sie das Mädchen zu der Weisen Nell und baten die alte Frau, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um in ihr wieder etwas Frohsinn zu erwecken.
    Sarah Hodge soll drei Stunden bei der Nell gewesen sein. Sie bekam einen Trank verabreicht, der, wie ihr gesagt wurde, das Blut von Schwalben, den Vögeln des Sommers und Symbolen für Heiterkeit und Wohlbefinden, enthielt.
    Als sie aus Nells Häuschen kam, sollen ihre Wangen gerötet und ihr ganzer Körper stark erhitzt gewesen sein. Mit dem Blut der Vögel in ihr fühle sie sich gut, sagte sie und begehrte zu tanzen. So griffen ihre Brüder, die froh waren, sie trotz ihres geschorenen Kopfes wieder glücklich zu sehen, zu Tamburinen und einer Flöte und spielten für Sarah auf. Und sie hob ihre Röcke und begann, herumzuspringen und die Beine hochzuwerfen, ohne auch nur eine Pause zu machen, bestimmt eine halbe Stunde lang. Ihr Gesicht wurde immer heißer, bis die Wangen von einem dunklen Weinrot wa
ren, doch sie hörte immer noch nicht auf zu tanzen, riß ihr Mieder auf und zeigte ihre Brüste, die so rot wie ihr Gesicht waren, und tanzte immer weiter, bis sie sich plötzlich nach vorn beugte und aus ihrem Mund ein Schwall von schwarzem Erbrochenen kam. Sie brach zusammen und phantasierte, daß sie Gift aus der Zitze am Hals des Teufels getrunken habe, und zwanzig Minuten später war sie tot.«
    In der Sakristei gab es eine harte Bank, auf die ich mich jetzt setzte. Ich hatte nicht erwartet, an meinem Geburtstag von schwarzem Erbrochenen und Teufelszitzen reden zu hören.
    »Nun scheint es so zu sein«, sagte Sackpole, »daß die Leute aus dem Dorf neben den anderen Veränderungen an der Weisen Nell das Auftauchen eines bräunlichen Flecks an ihrem Hals bemerkt haben. Sie behauptet, daß das eine Warze sei, doch der Fleck ist gewachsen, zieht die Haut um sich herum hoch und entfärbt sie, so daß er jetzt in jeder Hinsicht einer Zitze oder Brustwarze gleicht. Und Ihr wißt, Sir Robert, daß so eine Entgleisung der Natur gemeinhin als ein sicheres und eindeutiges Zeichen angesehen wird, daß in der Seele der Satan wohnt. Deshalb – um den Zorn der Leute zu beruhigen und um in dieser Angelegenheit Zeit zu gewinnen und weitere Erkenntnisse einzuholen – habe ich nach Euch gesandt. Ich möchte Euch bitten, mit mir zum Haus der Weisen Nell zu gehen, dort dieses Ding an ihrem Hals zu untersuchen und mir nach bestem Wissen – das recht beträchtlich sein soll, wie ich von Mistreß Storey und selbst von Lady Bathurst hörte – zu sagen, ob es sich um eine richtige Zitze handelt oder bloß um irgendein anderes Gewächs, wie eine Warze oder Zyste.«
    Ich schwieg einen Augenblick, bevor ich antwortete. Dann
sagte ich: »Und wenn ich feststelle, daß das Ding das ist, wofür Ihr es haltet, was geschieht dann mit der Weisen Nell?«
    »Wie ich Euch schon sagte, sollt Ihr in dieser Sache nicht der einzige Schiedsrichter sein, sondern nur ein medizinisches Gutachten abgeben, dem noch andere folgen sollen.«
    »Beispielsweise von Doktor Murdoch?«
    »Ja, wenn man davon absieht, daß er seit Sarah Hodges Tod nicht mehr gesehen wurde.«
    »Von wem dann?«
    »Wir lassen die Ärzte aus den anderen Dörfern kommen.«
    »Und wenn sie ›Beweise‹ für den Teufel finden?«
    Sackpole zog seine Finger über den Mund.
    »Ich bin nicht für Verfolgungen. Doch ich kann den Teufel nicht in meiner Gemeinde

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