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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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zu sehen.«
    Celia protestierte, sie würde auf dem Dach frieren und unsere Abwesenheit wäre meinen Gästen gegenüber unhöflich.
    »Es gibt keine Gäste«, sagte ich. »Es kommt niemand.«
    In diesem Augenblick erschien Finn in seinem scharlachrot-goldenen Gewand und mit seiner blonden Perücke in der Halle. Er blickte vorwurfsvoll auf meine Hand, die Celias Handgelenk umfaßt hielt. »Ihr könnt Eure alberne Kleidung ablegen, Finn«, sagte ich beißend, »der Abend fällt aus.« (Meine Eifersucht auf Finn ist wie eine Geschwulst an meiner Leber. Sie breitet sich aus, und ich werde gelbsüchtig, verbittert und krank.)
    So steige ich also aufs Dach und ziehe Celia hinter mir her.
Wir klettern hinaus auf die eisigen Bleiplatten. Ich starre zum Himmel hinauf, und da ist er, der überfüllte Kosmos, unendlich weit und grenzenlos. Ich habe keine Ahnung von den komplexen Regeln, die seine Existenz bestimmen, auch nicht von der ersten, wie sich zeigen wird.
    Celia zittert. Ich ziehe meinen Rock aus (einen aus schwarzem Kamelott, mit Goldtressen besetzt) und lege ihn ihr um die Schultern.
    Ich schaue durchs Teleskop. Als ich den Himmel absuche, sehe ich anfangs nur bedeutungslosen Himmelsstaub. Dann bemerke ich, daß der Planet Jupiter mit seinen ihn umkreisenden Monden heute nacht besonders hell ist. »Aha«, sage ich, indem ich mir das Air eines Mannes gebe, der sich mit den Planeten und Sternen gut auskennt, » voilà Jupiter. Ungewöhnlich hell. Ausgezeichnet. Ein gutes Omen. Jupiter als beherrschender Planet aller irdischen Könige. So wird also von oben auf uns herabgelächelt.«
    Ich führe Celia zum Teleskop. Obwohl ihr mein Rock etwas Wärme spendet, zittert sie noch immer. Ich muß an die Angst denken, deren Zeuge ich am Nachmittag geworden bin. Das Wissen, daß Celia sich fürchtet, bestürzt mich. Ich muß sie besänftigen und beruhigen. Daher lege ich meine Arme um sie. Sie kann mir nicht ausweichen, da wir am äußersten Rand des Daches stehen. »Nein, Merivel!« ruft sie aus. Aber ich kann sie nicht loslassen. Ich kann es einfach nicht. Ich habe nicht den Willen dazu. Ich drehe sie zu mir herum. Sie wendet den Kopf ab, genauso wie die Weise Nell, deren Zitze ich nicht berühren sollte. Doch nicht meine Hände drängen zu Celias Hals, sondern meine Lippen. Ich küsse sie genau an der Stelle, wo eine Hexe vielleicht ihre Kreatur gesäugt hätte. Sie wehrt sich und schreit wieder auf, doch
ich lasse sie nicht los. Und nun bin ich mit dem weichen Fleisch ihres Halses nicht mehr zufrieden. Ich will ihren Mund. Mit aller Kraft ziehe ich ihren Kopf an meinen. Ich fühle ihre Brüste auf meiner Brust. In meinem Kopf pocht es, und mein Atem geht stoßweise. Ich zwinge ihr einen Liebeskuß auf.
    Sie gibt keinen Augenblick nach, sondern wehrt sich die ganze Zeit und versucht, von mir freizukommen. Ich bin jetzt erregt. So hitzig wie ein begehrlicher Junge. Celia biegt ihren Rücken zurück und reißt ihren Mund von dem meinen los. Da ich den Kuß verloren habe, bedränge ich sie nun mit Worten. Ich bitte sie, nicht mehr über den König nachzudenken. »Wenn er Eurer jetzt noch nicht überdrüssig ist, dann wird er es in einem Jahr sein. Habe ich es Euch denn nicht gesagt, er ist Quecksilber und kann nicht eingefangen und nicht gehalten werden. Er wird Euch niemals das Kind schenken, das Ihr Euch so sehr wünscht, Celia. Niemals! Aber ich könnte es. Bekommt von mir einen Sohn! Denn ich bin Euer Gatte, und alles, was ich von Euch will, ist, daß Ihr mir erlaubt, Euch zu lieben!«
    Und dann spuckte sie mich an. Sie spuckte mir in die Augen, so daß ich für einen Augenblick nichts sah – und der reichte aus, daß ich meinen Griff lockerte und sie zum Fenster taumelte, durch das wir aufs Dach geklettert waren, wobei sie meinen Rock von ihren Schultern fallen ließ. Als ich mich dorthin umwandte, kletterte sie gerade schreiend hinein; sie schrie nach Sophia, dem ekelhaften Reifrock.
    Ich hätte ihr folgen und sie einfangen können. Ich hätte sie auf den Boden des Speichers werfen können.
    Ich tat es nicht. Ich wischte mir ihren Speichel aus den Augen. Ich verdammte Gott und meine Eltern wegen meines
widerwärtigen Wesens. Ich verfluchte eine Welt, in der ich niemanden hatte, der mich liebte, außer Huren und Kurtisanen. Ich trat heftig gegen den Fuß des Teleskops, wodurch ich mir meine Zehen grausam quetschte.
    Obwohl ich stark zitterte, blieb ich noch eine Weile auf dem Dach, als wollte ich die eisige Nacht in mein

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