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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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eingehüllt in Dachsfelle, sitze und auf einen grauen, undurchdringlichen Himmel blicke. Um es kurz zu machen, ich bin nicht mehr Merivel, sondern ein trübseliger Phlegmatiker und eine nutzlose Person, was mir gar nicht gefällt. Mein altes Ich, wenn auch sehr fremdländisch, war ein lustiger Begleiter. Dieser neue Mann aber ist widerlich. Ich habe ihn gebeten, zu gehen und nie wiederzukommen, doch da sitzt er, kratzt sich, zappelt herum, schneuzt sich die Nase, seufzt, gähnt und beschäftigt sich ein wenig mit armseligem Schreiben. Ich wünschte, er wäre tot.
    Diese Person – die ich in Fogg umtaufen will – hatte kürzlich einen Traum vom König, in dem ihn Seine Majestät fragte: Welches ist die ›erste Regel des Kosmos‹? Fogg fühlt nun
in seiner Einsamkeit, wie diese Frage seinen Geist quält. Sie klebt an seinem Denken wie eine Muschel am Felsen, aber er kann sie nicht aufbrechen. Doch am vergangenen Abend, bei der Nachricht von Pierpoints Tod, gab sie seinen Versuchen ein wenig nach. So legte Fogg nieder, daß es wahrscheinlich sei, daß die ›erste Regel des Kosmos‹ die Isoliertheit aller Dinge ist. So wie jeder Planet und jeder Stern in sich ein Ganzes und nicht mit anderen Planeten oder Sternen verbunden ist, so muß jeder Mensch auf Erden für sich allein bleiben, selbst im Tod. So starb Pierpoint in undurchdringlicher Einsamkeit.
    Doch während die Planeten in ihrer Vereinzelung heiter und gelassen sind, da sie wissen, daß jeder Zusammenstoß die Gefahr in sich birgt, daß sie zerstört werden und zu Staub zerfallen, sieht Fogg, ebenso wie sehr viele seiner Artgenossen, in seiner Isoliertheit die absolut traurigste Tatsache seiner Existenz und hofft inständig, auf jemanden zu stoßen, der sie ihn vergessen läßt. Doch andererseits erkennt er auch den Wahnsinn einer solchen Kollision. Ein Zusammenstoß ist so verhängnisvoll, weil er gegen die erste Regel verstößt. Beim Zusammenstoß wird Fogg auseinandergerissen. Beim Zusammenstoß wird er zu eifersüchtigem Gas, zu herzlosem Staub …«
     
    An dieser nicht sehr schlüssigen (und etwas zusammenhanglosen) Stelle wurden meine Kritzeleien an Rosie unterbrochen. Will Gates kam ins Zimmer und teilte mir mit, daß Mister de Gourlay gekommen sei und mich dringend sprechen wolle.
    »Sieh mich doch an, Will!« sagte ich. »Ich kann erst wieder Besuch empfangen, wenn ich gesund bin.«
    »Er hat mich gebeten, Euch zu sagen, daß er etwas mitgebracht hat, was Euch gesund machen wird.«
    »Nun«, meinte ich, »vielleicht Schwalbenblut.«
    »Wie bitte, Sir?«
    »Ich möchte lieber allein bleiben, Will. Ich muß über vieles nachdenken.«
    »Er drängt sehr, Sir.«
    »Da haben wir den Grund, warum er nicht beliebt ist. Er hat nicht begriffen, daß das Leben eine Quadrille ist, die pas rückwärts ebenso erfordert wie pas vorwärts.«
    Als ich das gesagt hatte, kam mir sogleich der Gedanke, daß mein Entschuldigungsbrief an Celia so ein pas rückwärts war, ohne den ich überhaupt nicht wieder würde tanzen können, außer vielleicht einen Totentanz. Deshalb legte ich, während Will sich noch weiter für Dégueulasse einsetzte, schnell meinen Brief (wenn es einer war) an Rosie Pierpoint beiseite, nahm ein sauberes Blatt Pergamentpapier zur Hand und schrieb die folgende einfache Mitteilung:
     
    »Meine liebe Celia, mein gemeines Betragen tut mir außerordentlich leid. Ich bitte Euch, mir diesen Übergriff zu verzeihen, so daß ich Euer Freund und treuer Beschützer bleiben kann.
    R .  M .«
     
    Dann wies ich Will an, Dégueulasse in mein Zimmer zu führen und anschließend Celia meine kurze Mitteilung zu überbringen.
    Ich setzte meine Perücke auf. Die Angst in mir hatte ein klein wenig nachgelassen, was einen plötzlichen Abfall der Temperatur meines Blutes zu bewirken schien. Während ich
vorher am Kochen gewesen und fast vor Hitze umgekommen war, fror ich jetzt. Ich griff nach meinem Überwurf, legte ihn an und saß nun mit darunter verschränkten Armen da. Was war eigentlich, hätte ich gern gefragt, während ich auf meinen Gast wartete, aus meinem Russengemälde geworden? Hatte ich schon wirklich damit angefangen oder nur in meiner Phantasie?
    Dégueulasses Eintreten unterbrach meine Gedanken, bevor ich eine Antwort darauf gefunden hatte. Sein Anblick enthob mich der Sorge um mein eigenes Aussehen. Er gehört zu den Leuten, die ganz schrecklich und aufreizend häßlich sind, doch scheint man seine Häßlichkeit sofort zu vergessen, wenn er aus

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